Anja als Verschickungskind
Die Autorin Anja Röhl wurde im November 1960, mit 5 Jahren, das erste mal (Wyk auf Föhr) und 1963 im Sommer das zweite Mal (Berlebeck im Teuteburger Wald) von der Krankenkasse verschickt. Sie hat dann erstmalig 2004 in der Literaturzeitschrift Risse, (Rostock), unter dem Titel: Tante Anneliese, zum Thema „Verschickungselend“ einen Text geschrieben. Im Jahre 2009 schrieb sie einem weiteren Text in der Literaturbeilage der jungen Welt: “Und dann bin ich verloren! Hände hoch: Wie war es auf die Nordseeinsel Wyk verschickt zu werden?“. Danach schrieb sie über das Thema 2013 „Gewalt in der Kinderverschickung“, noch in dem autobiografischen Roman: Die Frau meines Vaters. Im Laufe dieser Jahre bekam sie Hunderte von Kommentaren über ihre Internetseite von Betroffenen mit traumatischen Schilderungen von schlimmen Bestrafungen und Erlebnissen in Verschickungsheim-Aufenthalten. Die Berichte waren sehr detailreich und sehr unterschiedlich in den Einzelheiten, aber ähnelten sich in den erlittenen Grausamkeiten, so dass die Vermutung aufkam, dass hier ein bestimmtes immer ähnliches Bedingungsgefüge geherrscht haben musste.
2021 veröffentlichte sie das Grundlagenwerk: Das Elend der Verschickungskinder, mit ersten Quellenstudien bundesweiter Verschickungsheime, ca. 400 Zitaten von Betroffenenaussagen und einer ersten Analyse von acht möglichen Ursachenkomplexen. Noch im selben Jahr entstand auch das Porträtbuch: Heimweh-Verschickungskinder erzählen. Seither arbeitet sie weiter wissenschaftlich am Thema. Schon die ersten Aktivitäten und ein erster Kongress im Jahre 2019 erreichten erstmalig dann ein ein Presseinteresse am Thema, in dessen verlauf sich Hunderte von betroffenen von sich aus an die Medien wandten, damit ihren schmerzvollen Erinnerungen endlich gebührend Gehör geschenkt würde. Auch schon in den 70er Jahren gab es Beschwerden über Gewalt in Verschickungsheimen, aber sie wurde damals kleingeredet (siehe obigen Link). Die Mitarbeiter und Eltern, die sich beschwerten, wurden nicht ernst genommen.
Nun haben die öffentlich-rechtlichen Medien unsere Erinnerungen endlich ernst genommen und in eigenen Recherchen vielfach bestätigt gefunden. Das Thema kam also, dank unserer Bemühungen, endlich in die Medien und erreicht seit 2019/20 einen breiten öffentlichen Diskurs. Seither organisierte der Wissenschaftsverein AEKV e.V., der die bundesweite „Initiative Verschickungskinder e.V.“ eng begleitet und eigene Bürgerforschung unterstützend begleitet, sechs bundesweite Fachkongresse zum Thema, der 7. ist in Vorbereitung. Auf diesen Fachkongressen werden neueste Forschungs- und Recherche-Erkenntnisse ausgetauscht, sowie die Vernetzung unter den Betroffenen angeregt. Weitere Infos finden sich alle auf der Homepage: www.verschickungsheime.de