GUNDERMANN Film von Andreas Dresen Film-Rezension
Es gibt einen Sänger, den lieben alle diejenigen, die zwischen 1976 und 1989 herum rebellisch, kritisch, selberdenkend waren und eine andere DDR wollten, keinen Westen, und es lieben ihn all diejenigen, die ab 1989 dann begriffen, dass der Westen sie um die Früchte ihrer systemkritischen Arbeit betrogen hat, denn statt einer besseren Arbeiterrepublik mit mehr Demokratie, hatten sie mittels Besetzung, eine Gelddiktatur mit weniger Demokratie aus ihrem Land gemacht.
Arbeiter wie Gundermann wurden als erste an die frische Luft gesetzt. Die tausendfach-vielfältigen Berufe im Arbeiterbereich wurden im Westen einfach abgeschafft und nach 20 Jahren Schicht im Schacht standen Gundermann und Zehntausende anderer DDR-Arbeiter nun als Ungelernte da.
Zehntausende in Konzerte
Die Menschen, denen das auch passiert ist, die diese Hoffnungen auch hatten und ebenso enttäuscht waren, all diese Menschen lieben Gerhard Gundermann, und das auch posthum, denn sie lieben ihn so sehr, dass sie auch noch zu Zehnttausenden in seine Konzerte gehen, obgleich er ihnen schon 1998 überraschend wegstarb.
Er spricht ihnen aus der Seele, drückt ihr Lebensgefühl aus, schafft es, ihre eigenen Gefühle auf besonders poetisch-originelle Weise in Liedern auszudrücken. Und das alles passiert, während nur besonders eingeweihte Wessis überhaupt seinen Namen kennen.
Begeisterung auf Wessis übertragen
Nun hat Dresen einen Film über ihn gedreht, einer derjenigen, der seine Begeisterung für diesen DDR-Liedermacher schon sehr früh auch auf befreundete Wessis übertragen konnte, zb. auf Axel Prahl, der nicht nur selbst auf dem 60. Geburtstagskonzert zu Ehren von Gundi, sondern nun auch im Gunderman-Film mitspielt, übrigens in einer sehr überzeugenden Rolle: Als sein Stasi-Führungsoffizier, der sich hier wie sehr oft geschehen, als eine Art gütig-akzeptierender, verständnisvoller Ersatzvater, dem vom Vater Verlassenen und vom Vater zu Unrecht lebenslang Beschuldigten aufdrängt und ihm Anerkennung und Stärke zu geben versteht. Diese ermöglicht es, dass ausgerechnet der Che-Guevara-Bewunderer, der Querdenker und Autoritäts-Kritiker, der nicht eine Spur von Oppportunismus an sich hat, sich über 7 Jahre lang hat anwerben lassen, um, wie er denkt, über Missstände zu berichten. Dabei wird er in Wahrheit selbst überwacht und als er denn aussteigt, soll sogar seine Ehe zerstört und er selbst in seiner kritischen Wirkung auf die Vor-Wende-Generation geschwächt werden.
Dresens Angelpunkte
Das Ringen mit seiner früheren IM-Mitarbeit, die er erfolgreich verdrängt hatte, sowie seine langjährig heimlich-traurig-spannungsgeladene Liebe zu Conny, die zunächst mit einem anderen Bandmitglied zusammen ist und erst sehr spät seine Frau wird, das sind die beiden inhaltlichen Schwerpunkte aus dem persönlichen Lebenslauf Gundermanns, die Dresen als Angelpunkte ausgewählt hat.
Eins mit seinen Liedern
Das mag die DDR-Fans überraschen, denn für sie ist Gundermann etwas ganz anderes: Er ist eins mit ihnen und ihren Zeiterfahrungen, von denen die meisten Wessis keinen blassen Schimmer haben. Sie fühlen sich eins mit seinen Liedern und die sind eins mit der Zeit und alles verschmilzt miteinander und um die Stasisache haben sie sich nicht groß gekümmert und die Liebesgeschichte ist ihnen auch schnuppe, denn nichts ist ihnen wichtiger als seine großen Liedtitel, die für sich selbst und direkt zu ihnen persönlich zu sprechen scheinen. Die meisten der DDR-Fans können sie auswendig: „Immer wieder wächst das Gras…“, „Alle oder keiner!““Engel über dem Revier“, „Hier bin ich geboren“
Poet, Clown, nicht ohne seinen Schaufelbagger
Für sie ist es so, und auch das zeigt Dresen in seinem Film: Gundermann ist nicht tot, er lebt, er ist ein Baggerfahrer, der Lieder schreibt, ein Poet, Clown und Che-Guevara-Kommunist, einer, der Ideale hat und sie konsequent lebt, der als erstes einen Funktionär auf seiner Baustelle fragt, warum er mit dickem Westschlitten daher kommt, der gegen Bonzen und deren Privilegien war, der träumt und hofft und liebt und kämpft. Er ist einer, der nicht leben konnte ohne seinen 24 Meter hohen Schaufelbagger, und der nach 1989 entlassen wurde, wie sie. So wie Zehntausende, wie Millionen, die gedemütigt wurden für einen ganzen Staat, die sich trotz hochqualifizierter Berufe, auf dem Arbeitsamt als Ungelernte wiederfanden und sich mühevoll in einen Staat integrieren mussten, den sie nie gewollt hatten. Gundi begann nach seiner Entlassung noch eine Tischlerlehre, aber die Arbeitsbedingungen waren ihm unerträglich.
Auch von Wessis wahrgenommen?
Interessant wäre, ob der so ganz anders, als seine Fans erwartete Dresen-Film: GUNDERMANN, es schaffen könnte, dass dieses Ausnahmetalent auch von Wessis wahrgenommen würde, ob es also seine Lieder, der Bericht über sein Leben, seine Arbeit, seine Kinderliebe, seine Tierliebe, seine Poesie und sein Ringen mit seiner IM-Vergangenheit, es schaffen könnten, auch über seine Zeit hinaus ins Heute zu wirken. Deshalb vielleicht hat Dresen darauf verzichtet, den Film mit Fotos von 89er-Demos anzureichern, und ihn nur als einen, in seiner Zeit Verhafteten zu schildern. Politisch hält sich der Film stark zurück, wirkt nur indirekt, indem er die besondere Art der Selbst-outenden Enthüllung seiner IM-Tätigkeit zu einem Angelpunkt und roten Faden seines Films macht, und auch die Szene hineinnimmt, wo er, statt einer Entschuldigung sagt, er könne es sich selbst nicht verzeihen und dazu diese Worte: „Ich sehe mich nicht als Opfer und auch nicht als Täter. Ich habe mich mit der DDR eingelassen – mit wem sonst? – und ich habe ausgeteilt und eingesteckt. Und ich habe gelernt. Deswegen bin ich auf der Welt.“
Als Arbeiter seinen Staat verbessern?
Hier erleben Wessis wie Ossis einen anderen IM, als den, den ihnen die Westpresse seit zwei Jahrzehnten vorführt, der nichts als ein gemeiner Spitzel ohne Skrupel ist. Hier erleben sie einen, der als Arbeiter versucht hat, seinen Staat zu verbessern, wie es in dem schönen Lied der vergessenen Nationalhymne heißt: „ …dies Land beschirmen und verbessern wir“, der sich als Arbeiter von der DDR geschützt gefühlt hat, vor dem Raubtierkapitalismus, der dann nach 1990 über das Land hereingebrochen ist und die Arbeit von so vielen zerstört hat.
Gegen den Schmerz: Politische Themen mit eigener Erfahrungswelt gemischt
Wird der Film GUNDERMANN vielleicht einigen Wessis den Liedermacher, Arbeiterdichter und Kommunisten näher bringen? Man kann es hoffen. Und dann, dass der Film auch den Ossis gefällt, die seine Leben als Teil ihres eigenen Lebens sehen. Wird es sie nicht langweilen, dass hier so viel von Liebe und IM-Tätigkeit die Rede ist?
Ich glaube nicht, denn der Film ist vielschichtig und überraschend und sowas ist immer gut. Er zeigt, welche ungewöhnliche Persönlichkeit Gerhard Gundermann war, wie faszinierend seine oft von einem melancholischen Unterton geprägten Lieder waren und immer noch sind, und wie seine sehr persönliche Auseinandersetzung mit Themen, wie Leben, Tod und Sterben, seine politischen, umweltspezifischen und sozialen Inhalte, untermalt mit eigener Erfahrungswelt im beruflichen und privaten Alltag, wie so etwas die Menschen begeistert. So sehr, dass man ihn einfach lieben muss. Es gibt so Menschen, die liebt man einfach, denn sie tragen ihre Gefühle unmittelbar auf der Zunge und in den Augen und eigentlich ist jeder so, aber die meisten verbergen es unter „dicken Panzern“, die sie sich angewöhnt haben „gegen den Schmerz“.
Unbedingt anschauen und dazu auch den Dokufilm von 1999: „Ende der Eisenzeit“ von Richard Engel, zu bestellen bei Buschfunk. Gerhard Gundermann: Ein großer Künstler und ein ungewöhnlicher Mensch!
Fim hier