Haben Väter nicht auch Pflichten?
Haben Väter nicht auch Pflichten? fragte der neunjährige Sohn einer Freundin nach der erfolgten Trennung seiner Mutter vom Vater, die sie – wie alle Erwachsenen es tun – beschlossen hatte, ohne das Kind zu fragen. Sie hielt die Mischung aus Haß und Hohn, mit der ihr ihr Partner begegnete, einfach nicht länger aus. Seit der Geburt der Kinder, zu denen er lieb und zärtlich war, verspürte er einen extremen gesellschaftlichen Druck, Geld heranzuschaffen, was ihn den ganzen Tag außer Haus trieb. So entfremdeten sie sich. Sie fühlte sich alleingelassen, er zuwenig gewürdigt. Jeder wurde dem anderen auf seine Weise zum Feind. Gegen Ende flehte sie ihn an, wenigstens einen Tag in der Woche für Uni und Arbeit »frei« zu bekommen, um nicht im Abseits zu landen. Darauf wollte er sich nicht einlassen. Aus der großen Liebe war eine stinknormale Beziehungskatastrophe geworden, in der sich jahrhundertealte Rollenmuster verfestigten. Er herrschte sie an, die Beine breitzumachen, drohte: »Du bekommst die Kinder nicht! Was brauche ich denn statt deiner außer Putzfrau und Haushälterin?« Dann kamen Prügelszenen auf. Als sie ihn endlich aus dem Haus bekam, waren die Kinder traurig wie nie zuvor, ständig wütend, weinend. Der Vater kam nur manchmal für Minuten vorbei, um dann im selben Haus Stunden bei der Geliebten zu verbringen, die er schon länger hatte, was das Kind schweren Herzens, mit großer Mühe, der Mutter verschwiegen hatte, damit alles blieb, wie es war. Im elend anstrengenden Zustand der gerade vollzogenen Trennung fragte der Sohn, ob Väter nicht auch Pflichten hätten, seiner aber hatte beschlossen, daß er erst eine neue Frau finden müsse, bevor er seinen Kindern wieder unter die Augen treten könne und daß er Zeit dafür bräuchte.
Einer anderen Freundin lief der Vater des Kindes Wochen nach der Geburt davon, da sie den Säugling, der ewig schrie, seiner Meinung nach durch Hochnehmen und Stillen verwöhnte, keine Zeit mehr für ihn hatte, er nicht gefragt worden sei, ob er überhaupt ein Kind wollte und nun eine Auszeit bräuchte. So ließ er die beiden in einer Hinterhauswohnung in Berlin-Wedding mit der Bemerkung allein, sie solle ja nicht auf die Idee kommen, ihn etwa als Vater angeben zu wollen. Der Vater des Kindes einer dritten Freundin schließlich kam nach fünf Jahren, in denen sie alles allein gemacht hatte, auf die Idee, das Fünfjährige in seine neue Familie zu integrieren, zu der schon jüngere Kinder gehörten. Das würde sich gut machen, meinte er – alles ein Aufwasch. Sein Kind müsse sich allerdings zwischen ihm und der Mutter entscheiden.
Das soll nun alles anders werden?! Am 2.August entschied das Bundesverfassungsgericht, daß Mütter das Sorgerecht für ihre Kinder mit deren Vätern zu teilen haben, ob sie wollen oder nicht, ob sie verheiratet sind oder nicht. Ein Familiengericht muß noch zustimmen, kann aber nun auch gegen die Mutter entscheiden. Die Karlsruher Richter maßregelten mit dem Urteil, das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angemahnt worden war, eine, wie sie erklärten, »nach neuen Erkenntnissen beträchtliche Zahl von Müttern«, die »ihr angestammtes Sorgerecht nicht mit dem Vater des Kindes teilen wollen«.
Prima, es brechen goldene Zeiten herein. Väter werden ihre Kinder mit Inbrunst pflegen. Sie werden ihre Karriere für Elternzeit opfern, mit ihren Kindern die Hälfte der Zeit verbringen. Sie können ja nun über ein Menschenleben gleichberechtigt mitbestimmen, das neun Monate im Körper der Frau heranwuchs, von ihr unter Schmerzen geboren wurde – dazu müssen sie sich nicht besonders gekümmert haben, nein, es reicht, der Erzeuger zu sein.
Was da als Emanzipation der geschundenen Männer daherkommt, ist in Wahrheit patriarchales Unrecht, denn wie kann einer, der nichts für das Kind auf sich nehmen mußte außer dem Zeugungsakt, die gleichen Rechte an ihm zugesprochen bekommen wie diejenige, die mit dem Kindern von Anbeginn eng zusammenlebt. Warum wurden nicht Lebensverhältnisse als Kriterium geltend gemacht? Da könnte ich mir viele Paragraphen vorstellen, die Unrecht beheben. Warum wurde die »Blutsverwandtschaft« aus der Mottenkiste geholt? Linke sollten es mit Brechts Grundsatz aus dem »Kreidekreis« halten: Die Kinder denen, die für sie gut sind, und nichts anderes gelten lassen als die puren Lebensverhältnisse und deren gemeinsame Bewältigung.
Das Kind als Sache
Wie sieht die Realität aus? Väter fliehen vor der Verantwortung, Männer schlagen und mißhandeln – das ist statistisch erfaßt und bewiesen und liegt nicht an den Hormonen, wie es uns konservative Biologisten schmunzelnd weismachen wollen, sondern ist gesellschaftlich bedingt. Es tritt aus Verzweiflung auf, auf Kosten von Frauen. Männer entwickeln diese Überforderungssymptomatik, je schwerer eine Beschäftigung zu finden ist, mit der eine Familie zu ernähren wäre, je größer der Druck ist, der auf ihnen lastet, je tiefer sie sich auf der hierarchisch-patriarchalen Leiter fallen sehen. Leider schließen sich die Betroffenen nicht gegen ihre »Arbeitgeber« in Streiks zusammen, sondern lassen ihre Frauen mit Säuglingen im Stich oder prügeln; die Zahlen bestätigen das.
Hat die Auf-sich-Gestellte das Kleine in den ersten Jahren trotz aller Widrigkeiten lieben gelernt, kommen die Herren Väter zurück und beanspruchen das Kind, sofern es denn mal schön lesen und schreiben und man sich mit ihm sehen lassen kann. Die Gesetzesänderung aus Karlsruhe macht sowas möglich. Über Bord gehen dabei kindliche Grundbedürfnisse nach dauerhafter Bindung, Liebe, Intimität– alles, was ein Kind psychisch stabil und gesund erhält. Seine kontinuierliche und verläßliche Versorgung wird den Bedürfnissen der Männer untergeordnet, deren Recht an ihrem »Eigentum«, dem ehemaligen Samenfaden und jetzigem Kind. Hier wird das Kind zur Sache. Es wird verdinglicht. Dies ist nun per Gesetz legitimiert. War es einer Frau bisher immerhin möglich, den Kindsvater, der kein Talent zum Vater zeigte, nicht zu heiraten, damit er kein Recht an seinen Kindern bekommt, so gehört ihr das Kind nun zur Hälfte einfach nicht mehr, völlig unabhängig von den jeweiligen Umständen. Der Samengebervater, der nie einen Finger krümmte, muß ständig konsultiert werden und kann jederzeit die Kinder zugesprochen bekommen. Er hat alle Rechte an ihnen, als hätte er sie geboren und großgezogen.
Das ist nicht Gleichberechtigung. In unserer Gesellschaft herrscht Frauenhaß und Frauenabwertung. Männer haben die Macht im Staat, die besseren Jobs und sind in vielerlei Hinsicht bevorteilt. Auf ungleicher Grundlage gleiches Recht einzuräumen, schafft größeres Unrecht. Mit der Gesetzesänderung werden sich keineswegs plötzlich alle nicht-zahlenden Kindsväter zu liebevollen Bezugspersonen wandeln. Vielmehr werden Frauen den Kindsvater seltener angeben. Sie werden verschweigen, von wem der Sproß in ihrem Leib ist, mit wem sie nicht leben können oder wollen. Vielleicht können sie so allein bestimmen, was mit ihrem Kind geschieht, aber sie haben keinerlei Unterhaltsgeld mehr zu erwarten. Das wunderbare Gesetz wird den Staatshaushalt auf Nebenwegen um die Millionen nicht geleisteter Unterhaltszahlungen lediger Väter entlasten, für welche bisher das Sozialamt einsprang. Mehr Frauen verarmen. Alleinerziehende Frauen sind schon die ärmste Bevölkerungsgruppe: Noch mehr Kinder wachsen in Armut auf. Frauen sind noch abhängiger von Männern und dem Staat.
Pflichten der Mütter ergeben sich meist unmittelbar durch das Kind. Das fängt an mit dem Ungeborenen, das weder Gift noch Streß abbekommen sollte, geht weiter mit dem Säugling. Pflichten der Väter müssen erst gesellschaftlich festgelegt werden und bleiben meist im Nebel der Beliebigkeit. Wenn mal ein Vater seinen Säugling wickelt, ist das die Sensation modernster Neuzeit und kommt, wie dieser Tage, gleich auf die Titelseiten. Das Bundesverfassungsgericht hat mehr Rechte für Väter durchgesetzt; ich fand eigentlich, sie hatten schon genug. Viele berufen sich jetzt schon auf ihre Rechte, wenn sie ihre mißhandelten Ehefrauen erpressen. Das läßt sich in den Frauenhäusern beobachten und überall nachlesen. Nun können das auch Unverheiratete.
Nach »Effi Briest«
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter hat in Kenntnis der gängigen Praxis am 5. August erklärt: »Damit Väter die gemeinsame Sorge im Sinne des Kindeswohls aktiv wahrnehmen können, müssen nach Auffassung des VAMV einige Voraussetzungen erfüllt sein: Das Kind muß eine Bindung zum Vater haben, d.h. er muß zumindest eine ausreichend lange Zeit mit dem Kind zusammengelebt haben. Der Vater sollte nachweisen können, daß er z.B. die Hälfte der Schulferien mit dem Kind verbringt und auch sonst sein Umgangsrecht kontinuierlich wahrnimmt. Der Barunterhalt für das Kind sollte regelmäßig und in ausreichender Höhe bezahlt werden, damit die existentiell notwendigen Kosten gedeckt sind.« Im übrigen hätten Mütter, die dem gemeinsamen Sorgerecht nicht zustimmen, in der Regel sehr gute Gründe dafür.
Der VAMV appelliert an den Gesetzgeber, sinnvolle Kriterien für die Gewährung eines »Rechts auf elterliche Sorge« zu entwickeln. Sie müssen sich eng am Wohlbefinden des Kindes orientieren und dürfen nicht automatisch zugeteilt werden! Andernfalls nähern wir uns fundamentalistisch-altpatriarchalen Verhältnissen, wie sie Theodor Fontane im Drama um das Kind der »Effi Briest« schilderte. Damals hat das Menschen angerührt. Wenn das heute egal ist: Auf zum Kampf gegen die Frau!
Nachtrag:
Es gibt auf diesen Artikel eine Bombardierung von unsachlichen, von Beleidigungen, statt von Argumenten geleiteten Kommentaren, die ich nicht Lust habe auf meiner Seite abzudrucken. Ihr Inhalt läuft darauf hinaus, mir vorzuwerfen, dass ich zu erwähnen wagte, dass das Baby im Bauch der Mutter aufwächst, daher zunächst als ein Teil ihres eigenen Körpers empfunden wird, was ihr einen Vorsprung im Empfinden der Nähe zum Kind vor dem Vater und anderen Bezugspersonen gibt. Die soziale Elternschaft muss erworben werden, sie darf nicht biologistisch festgelegt werden, sondern muss sich am Kriterium der Lebensbedingungen orientieren. Meine Antwort an alle: Ich spreche mich gegen jegliche Biologisierung aus und trete für folgenden Grundsatz ein: Die Kinder denen, die für sie gut sind! Das muss in jedem Falle sorgsam geprüft werden.
Die Erschöpften schweigen
Anja Röhl weiß genau wovon sie spricht. Und ich weiiß es auch. Und viele viele alleinerziehende Mütter auch. Leider sind diese in der Regel viel zu erschöpft, um Leserbriefe zu schreiben oder sich in Blogs und Foren rumzutreiben, wo die anderen ihre Kommentare abgeben. So entsteht eine Haudraufkultur, die einfach deprimierend ist.
Mein 15-jähriger Sohn sagte mir gestern ganz entspannt beim Abendessen, dass generell alle Mütter das alleinige Sorgerecht haben sollten, weil es sowieso die Mütter seien, die sich kümmern, selbst wenn ein Vater in der Familie anwesend sei. Das wäre die einfachste Lösung, und einer sei ja ausreichend. Mein Sohn ist Pragmatiker. Wir haben dann übrigens noch einen Ausnahme-Vater in unserem Bekanntenkreis gefunden. Einen.
Aber wer weiß, vielleicht geschieht das Unwahrscheinliche und Väter und Mütter teilen sich zukünftig Rechte und Pflichten. Vielleicht werden die vielen jungen Väter, die man jetzt mit Tragetuch und Kinderwagen sieht, auf Dauer Beruf und Familie vereinbaren, ohne finanzielle Einbußen und ohne Burnout. Vielleicht auch nach einer Scheidung. Vielleicht können wir bösen bösen Feminsitinnen uns das einfach nicht vorstellen?
Luise (duckhome.de)
bereits als Leserbrief an Junge Welt geschickt
Es ist mal wieder soweit Frauen haben wieder weniger Rechte es war so und wird warscheinlich immer so sein, aber so kanns micht sein Kinder sind kein Spielzeug was man mal so einfach in die Ecke stellen kann, weil man keine Lust drauf hat. Viele Männer benutzen die jetzige Regelung um der Ex noch mal richtig eins reinzuwürgen. und das finde ich zum Kotzen. Jedes Kind sollte alleine entscheiden, wenn es alt genug ist, wo es hinmöchte und wann es wo hinmöchte. Kinder werden mit der neuen Regelung regelrecht als Spielball genommen und das soll zum Kindeswohl sein? Das kann mir keiner weißmachen. Wenn ein Kind ein geregelt liebevolles Umfeld hat, warum macht man das mit so einer Scheiße kaput??????????
Genau so ist es. Mein Sohn ist kein Gegenstand.. im Grunde wird er aber so behandelt, denn ich MUSS ihn an seinen Vater geben, obwohl dieser auch keinen Halt macht vor dem kleinen zu schreien. Ich MUSS ihn seinem Vater geben, obwohl dieser mit Drogen zu tun hat und der kleinen sogar schon einen Joint von ihm in der Hand hatte. Es interessiert nicht, das er sich nicht wirklich um den kleinen kümmert und ständig vereinbarte Treffen absagt weil er entweder zu müde von der Arbeit ist oder das Wetter zu schlecht ist. Es interessiert auch nicht, das ich das gemeinsame Sorgerecht eigentlich ungern zulassen möchte, weil er – sobald ich nicht so handel wie der Herr das möchte – sofort rot sieht und nicht mehr im Sinne des Kindes handelt. Also müsste ich, sobald das wieder der Fall ist, jedesmal per Eilverfahren das Gerichtlich beantragen. Dazu kommt auch, das ich es sehr traurig finde, das er mich beleidigen darf und über meine Familie schlimme Lügen verbreiten darf, damit er aus Rache uns schädigen kann, und das absolut uninteressant ist. Auch ist es völlig o.k. das er immer wieder – sobald ich z.B. nicht einsehe ihm seinen Rechner ein zu richten oder ihm den Haushalt zu putzen, sofort den Kontakt zum kleinen beenden möchte, weil er so sauer auf mich ist. Er darf.. aber was darf ich denn noch? Ich darf (und man soll mich da bitte nicht falsch verstehen.. denn ich mache es wirklich sehr gern) mich um den kleinen kümmern. Alles andere: Der Vater hat doch das Recht. Da musst du drüber stehen, er ist der Vater. Damit musst du leben, es geht hier ganz allein um das Wohlbefinden des Kindes. Was meiner meinung aber nicht gewahrt ist, wenn der Vater vor ihm mich anbrüllt und mich beleidigt. Desweiteren sagt er selbst, das er das gemeinsame Sorgerecht nur haben möchte um das zu ändern was ihm nicht passt. Natürlich gibt es sicherlich Fälle, wo es gut ist, das das Gesetz geändert wurde. Grade die Fälle wo Fürsorgliche Väter sich wirklich um ihr Kind kümmern wollen. Aber, meiner Meinung nach, wurde dabei einfach mal gemütlich übersehen das es auch ganz andere Fälle gibt, wo es wirklich für das Kind besser wäre, wenn es nicht gezwungen wird zum anderen Elternteil zu müssen. Mein Sohn, mit seinen 2 Jahren, sagt jetzt schon das er nicht zu seinem Vater will – nachdem er beim letzten mal total verwirrt und weinent von ihm wieder kam (nein, ich rede in seinem Beisein kein einziges böses Wort über diesen Mann und versuche ihm sogar begeistert zu sagen, das es zu Papa geht).
Am Besten eine gute Rechtsanwältin aufsuchen und beraten lassen, so darf es nicht sein! Immer vom Kindeswohl soll ausgegangen werden, auch aufs Jugendamt gehen und dort die Sache schildern. Weigstens versuchen. Selbsthilfegruppen suchen, in Frauenberatungsstellen gehen. Ja, das neue Gesetz birgt viele Gefahren!
hallo,
ich habe den artikel gerade gelesen. ich bin vater und wurde verlassen.
meine ex diktiert, was gut für meine tochter ist.
das finde ich schlecht. im artikel finde ich mich nicht wieder, alle männer werden über einen kamm geschert, ebenso die frauen. das ist nicht das wahre leben. männer sind zum teil tatsächlich anders- frau muss sie bloss finden. diejenigen , die an einen “falschen” geraten sind, müssen sich schon auch fragen lassen:wie konnte das passieren? warum so leichtfertig bei der auswahl des gengebers? tickte die innere uhr zu laut?
frank