Hello I´m David – Filmrezension
Der Film ist eine Dokumentation der Regisseurin Cosima Lange. Angeregt durch den Film Shine – Der Weg ins Licht (manchmal auch Shine – Der Weg ans Licht) aus dem Jahr 1996 über die traumatische Kindheits- und Lebensgeschichte des Pianisten David Helfgott, der in seiner Kindheit schwer traumatisiert wurde, viele Jahre ohne zu spielen in psychiatrischen Anstalten verbrachte und der dann erlebte, „dass die Musik zu ihm zurückkam“, und damit seine Musikerkarriere wieder aufnahm, machte sie sich auf den Weg, den Musiker 20 Jahre später über eine längere Zeit auf seinen Tourneen zu begleiten.
Dabei macht sie das Publikum mit einem der erstaunlichsten Menschen bekannt, den man je erlebt hat. Er ist ein Engel, ein Mensch, der jeden, der ihm begegnet umarmt, der immer lacht, alle, die er trifft, küsst, der in seinem ununterbrochenen Redezwang die klügsten und weisesten Dinge sagt, die genau zur Situation passen, der seinem Gegenüber auf eine sehr besondere offene, emotionale Art begegnet und der dazu eine wilde, leidenschaftliche Musik macht. Was ist mit ihm, fragt man sich? Ein Mensch, der sich von Thyrannei und Wahnsinn befreit hat und der darüber jeden Tag, jede Minute glücklich ist.
Spielt, als improvisiere er, murmelt, redet, schwingt mit
Und diese Musik unterscheidet sich, wie sein Verhalten, von all dem, was man gewohnt ist. Es ist Klassik, ohne Zweifel, er hat eine großartige Aufführung mit dem Stuttgarter Synphoniorchester zusammen herausgebracht, die dritte Symphonie von Sergej Rachmaninow. Und er kann seinen Rachmaninow, er spielt ihn gigantisch, phänomenal, aber er spielt ihn wie Jazz. Als improvisiere er in dem Moment, als käme das jetzt und augenblicklich aus seinem Innersten. Er murmelt, redet, schwingt mit, nimmt Kontakt auf zu den anderen Mitspielern, lacht, er kriecht ins Klavier hinein, liegt über ihm, mit dem Ohr dicht über seinen tanzenden und virtuos über die Tasten fliegenden Fingern.
Der Zuschauer wird Zeuge einer Hingabe
Und das ist seltsam: Er spricht, auch während er spielt, begleitet sein Spiel durch eine Art Inneren Gesang, ein Gemurmel, was den ganzen Raum leise durchdringt und sicher für Klassikliebhaber äußerst gewöhnungsbedürftig ist. Doch hat er Erfolg. Der Stuttgarter Konzertmeister sagt, es störe ihn nicht, er habe es integriert, es gehört zur Musik des David Helfgott dazu. Und die Menschen mögen seine Musik. Sein Sprechen gibt dem Charakter der Musik, wie er sie spielt, eine tiefere Art von Emotionalität, mal eilt er der Musik voraus, mal treibt er sie an, in der Regel begleitet er sie leise und still, dann wieder lässt er sich von ihr jagen. Ähnlich murmelte nur die Jazzlegende Monk vor sich hin, wenn sie spielte und sich dazu im Kreise drehte. Der Zuschauer wird Zeuge einer Hingabe.
Dem Publikum eine Ausnahmefigur vorstellen
Tänzelnd springt er zu Beginn auf die Bühne, ist in seiner Unruhe kaum zur Ruhe zu bringen, dann zwingt ihn sein Klavier und die Musik, die er darauf erklingen lässt, in einen eigenen, ganz besonderen Bann, den das Publikum staunend nachvollzieht, und aus dem er sich, man merkt es, erst nach fünf oder sechs Zugaben langsam, er will es nicht, möchte ewig weiterspielen, lösen kann. Das ist groß. Aber dazu muss man sich davon lösen, dass man als Klassiker steif und einer bestimmten Formensprache gehorchend am Klavier sitzen muss und nur auf eine bestimmte, streng reglementierte Art spielen darf. Cosima Lange ist es zu verdanken, dass dem Publikum die Ausnahmefigur David Helfgott nun ein zweites Mal öffentlich vorgestellt wird, diesmal nicht mehr durch einen Schauspieler, der mit ihm lange zusammen lebte, um seine Art perfekt kopieren zu können, sondern durch ihn selbst und seine überaus taffe Frau, die ihn zu lieben begann, als er noch verwildert wie ein Kind war und erst vorsichtig begann, wieder in einem Cafehaus zu spielen.
Das Kind kann nur durch Ent-Rückung reagieren
Seiner Frau Gillian ist es zu verdanken, dass seine Geschichte überhaupt aufgeschrieben und festgehalten wurde. Sie machte seine Tragik und gleichzeitig seine Besonderheit klar, als Kind eines schwer in Ausschwitz traumatisierten Vaters. Dieser wirkte auf ihn in einer Weise ein, die man thyrannisch und gewalttätig nennen muss, doch gleichzeitig erkennt man die Traumata des Vaters, er glaubt, seinen Sohn zu lieben. Zwingt ihm diese Liebe auf, man versteht, dass es Ausschwitz ist, was durchwirkt. Das Kind kann dadurch am Ende nur durch Abspaltung, Ent-Rückung reagieren. Erst ein Mensch, der ihn vorbehaltlos annahm, ihn verstand und ihn akzeptierte und liebte, seine Frau Gillian, erreichte das Wunder, dass er wieder auftreten konnte.
Einen interessanten Menschen kennenlernen
Die Vorlage zu dem Film „Shine“ lieferte das Buch von Gillian Helfgott, dass sie für ihren Mann herausgab. Sie wird dazu nochmal befragt und erzählt, dass es das Ergebnis eines über zehn Jahre dauernden Prozesses der nächtlichen Verarbeitung seiner seelischen Schmerzen war, die ihm durch seinen Vater geschehen waren. Wer den Film „Shine“ gesehen hat, darf den Film: „Hello, I´m David“ nicht verpassen, wer es nicht getan hat, kann in diesem Film einen interessanten Menschen kennenlernen, der die Gewalt verabscheut und Zärtlichkeit und Liebe zum Prinzip erhoben hat.
“Hello I´m David” von Cosima Lange, gerade angelaufen