Günter Herburger zum Buch „Die Frau meines Vaters“
…Während dieser Zeit habe ich einen Tag und eine halb Nacht lang dein erschütterndes Buch gelesen. Manchmal musste ich innehalten, besonders beim Vater, wenn die Hand kam und du erstarrt bist. Das Buch ist sehr gut in Kind, Mädchen und junge Frau unterteilt, die klare Sprache ändert sich nur unmerklich, und die Sätze werden kaum länger. Es kommt nur auf die realistische Perspektive an, die Gegenwart und die Furcht vor der nächsten Duckung. Wenig Glück hattest du mit Freundschaften oder den Zwillingen. Es kommt durch die schwarzen Balken noch mehr heraus, wie wichtig sie für dich waren und wie sehr du sie geliebt hast.
Du hattest in deinen großen, langen Briefen schon viel erzählt, doch nun wurde alles zu einer Geschichte des Leids und der Sehnsucht. Auch habe ich deine Mutter viel besser verstanden. Nie habe ich konstatiert, wie viele Plätze du hattest, wie auf der Flucht, wo du überall gewesen bist und was du alles gearbeitet hast, das wird in seiner Masse zu einer völligen Destruktion, so dass Krankheiten wie Erholungsphasen klingen.
Das Vorwort von Nautilus ist sehr gut, dass dem Buch nun wieder ein Hauch von Skandal anhaften wird, und das kurze Glück der Autorin weniger Aufmerksamkeit haben werde, als wieder einmal das Unglück der Familie. Dass Familie gesagt wird, ist überaus wichtig, wie der Schlusssatz der Edition: Wir haben es versucht zu vermeiden, es ist uns nicht gelungen; traurig, zugleich athletisch.
Nämlich eine Lebensathletin bist du, ich habe dich völlig unterschätzt. Ich habe die Dimensionen gar nicht erkannt…
Aus dem Briefwechsel zwischen dem Schriftsteller Günter Herburger und mir, obigiges Briefzitat aus dem Jahre 2013