Feminismus bei den Linken
Erstaunliches konnten die Teilnehmerinnen auf einem Seminar `Wir können auch anders!´ erfahren, wo es um linken Feminismus ging *. Die Frauen verdienen in allen gesellschaftlichen Schichten, in sämtlichen Berufen, in den gleichen Sparten, immer noch oder schon wieder, zum Teil erheblich weniger als Männer, dies scheint ihnen aber nicht bewusst zu sein, sie bemerken es einfach nicht, sie selbst schätzen es nicht so ein und Männer wissen davon offiziell nichts (außer Personalchefs, versteht sich)**. So ist der Zustand unserer Gesellschaft im Jahre 2010, wo uns weiß gemacht werden soll, Gleichberechtigung sei schon erreicht, Feminismus nicht mehr nötig.
Demnach wurden Aspekte diskutiert, wie `Feminismus und Macht´, `Grenzen von Gender-Mainstreaming´, `Feminismus und Neoliberalismus´, `DDR und Frauenarbeit´, `DDR und `Frauenqualifizierung´, `DDR und Gleichberechtigung´, `Die Häuslichkeit der Männer´, `Ethik der Sorge´, `Frauensolidarität´ uvm. In einem methodisch äußerst abwechslungsreichen Stil haben sich hier drei Teamerinnen, dreißig Frauen und ein Mann mit dem Feminismus bei den Linken beschäftigt.
Ziel war, Frauen, nicht nur für die Linke als Partei, sondern allgemein für linke Ideen wieder mehr zu begeistern und auch Frauenideen in das neue Programm der Linken einzubringen. Guter Aspekt: Alle Frauen im Blick zu haben. Welche Geschichte finden wir vor, was haben wir hinter uns, was vor uns, was wollen wir erreichen?
Nachdem sich für die AG-Frauenerwerbsarbeit noch viele Begeisterte fanden, die Meisten sich auf dem Zettel mit der Aufschrift: UTOPIE tummelten, gingen einige wenige eher zähneknirschend zum Thema `Familienpolitik´, wo es galt, ein emanzipatorisches Gegenmodell gegen konservative Familienlobpreisungen zu entwickeln.
Aus der Zukunftswerkstatt `Utopie´, wo die TN sich vorstellen sollten, sie seien 15 Jahre im Weltall gewesen und kämen auf eine `ideale´ Erde zurück, kehrten die Frauen eindeutig mit den rötesten Wangen, am vergnügtesten und aufgemuntertsten zurück, hatten sie doch Kriege, Waffen, die Börse, Spekulationen, Atomkraft, Ölindustrie, Chemie und das Geld abgeschafft, dafür die Erziehung zur Kunst zum Ausgangspunkt fürs Selberdenken gemacht und hatten, statt Patriarchentum, Diktatur des Geldes und der Ellenbogen, Besserwessi- und besserwisserei, statt Gockelgehabe, autoritärem Zeigefinger und Katzbuckeln, eine allgemeine, rein äußerliche Feminisierung und Individualisierung aller Lebensweisen vorgefunden. Zum Recht auf Arbeit, war das Recht auf Glück gekommen, den USA war ihre Weltvormachtstellung zerbrochen, Israel und Palästina hätten sich friedlich geeinigt, der Islam war auf seine demokratisch-humane Tradition zurückgekommen mit Hochachtung der Frauen, eine Weltgesellschaft unter dem Prinzip der Weisheit und Solidarität hatten sie errichtet, alles, was gemeinschaftlich geschaffen wurde, wurde wieder gemeinschaftlichem Nutzen zugeführt, jeder Mensch hatte sein Grundauskommen und durfte sich nach Neigung und Interesse in Ausbildungen und Berufen betätigen. So statisch allerdings, wie ein Ideal könne allerdings eine menschliche Gesellschaft niemals sein, denn immer würde Vieles gemeinsam zu bewältigen geben, für die man allerdings mit den obigen Ideen weitaus bessere Ausgangspunkte vorzufinden meinte, als bisher und so sich auch in der Lage sah, die schweren Aufgaben, wie die drohende Zerstörung der Erde, das schreiende Ungleichgewicht zwischen reich und arm sowie Süden und Norden realitär bewältigen zu können.
In der Erwerbs-AG glänzten die DDR-Frauen. Die kannten sich aus. Hatten sie doch eben erst für eine Minute in der Weltgeschichte einmal am eigenen Leib erfahren, was es heißt, sich als Frau nicht minderwertig, nicht schwächer, nicht unter dem Mann stehend zu empfinden, eben weil ihnen alle Berufe offen standen, sie finanziell wirklich unabhängig waren, und es auch staatliche Politik war, die Frauen aus der Hausfrauenrollenfalle herauszuholen. Die Wut über den Verlust all dieser feministischen `Privilegien´ in der heutigen Gesellschaft habe viele Ostfrauen nicht nur in Resignation und Depression getrieben, sondern sei auch verantwortlich für die beklagte weibliche Politikmüdigkeit.
Die Frauen aus dem Westen staunten nicht schlecht und die Errungenschaften ihrer eigenen `Emanzipationsbewegung´ erschien in den Augen der Ostfrauen vergleichsweise gering, da die Lebensbedingungen der Westfrauen (Den Mann um Erlaubnis fragen müssen, ob man arbeiten dürfte bis 1974 u.a.) den Ostfrauen nachgrade wie aus dem Mittelalter vorkamen. Nun dürfte man natürlich nicht von den objektiven Lebensbedingungen auf die Widerständlerinnen schließen, diese haben sich trotz Macht- und Berufsaufgabe, im Kampf gegen Konventionen, Väter und Ehemänner tapfer geschlagen und wichtige Dinge erarbeitet, Emanzipation trotz all dieser Rückschrittlichkeit, Frauenidentität, Frauengeschichte, Frauensprache, und grundsätzlicher Kritik am patriarchalen Gesamtsystem.
Im Bereich der Familienpolitik waren sich alle einig, dass der Begriff `Familie´ unbedingt auf alle ausgeweitet werden sollte, die nah und selbstgewählt bei- und miteinander leben und es einer stärkeren gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für alle typischen bisherigen „Familienaufgaben“ geben sollte, aber, was nachdrücklich verlangt wurde, unter besseren Bedingungen als bisher. Das beginnt bei der Grundsicherung, die für alle gleich gefordert wurde, geht über eine erhebliche Verbesserung und Aufwertung von Pflege und endet bei der drastischen Heraufsetzung des `Schlüssels´ in den Kindergärten, es sollte, nicht wie jetzt eine Erzieherin auf 18 Kinder kommen, das sei unmenschlich, sondern ein Schlüssel von 1:4 und 1:6 zugrunde gelegt werden, je nach Alter und in den Schulen kleinere Klassen, mehr Ferienreisen etc.
Vieles konnte in den eineinhalb Tagen nur angerissen werden, das Programm der Linken wurde kritisch unter die frauenspezifische Lupe genommen, Frauen haben sich und den einen Mann kennengelernt, die gorlebener Frau schwang sich wieder auf ihr Fahrrad, sie war eigens vier Tage lang per Fahrrad angeradelt gekommen, eine gelungene Veranstaltung, einig waren sich alle, dass viel mehr Frauen auch aller frauenbewegten Gruppen und Initiativen, miteinbezogen werden müssten, die feministischen Bedingungen haben auch dem Mann Spaß gemacht, ein Lob an DIE LINKE und ihre Frauen: Ein guter Anfang, weiter so!
*Regina Stosch, Ulrike Zerhau, Annegret Gabelin, 14./15.8. in Kassel: Wir können auch anders! Frauenpolitische Anforderungen an das Programm der Partei DIE LINKE / Von Regina Stosch ist dieser Tage auch eine Kritik am Linken Programm aus feministischer Sicht herausgekommen.
** Infos nach einer Auswertung wissenschaftlicher Untersuchungen in: Felix Barth, Südd.Zeitg.,6.7.10
Die Anhebung des Schlüssels auf 1:4 wird es wohl nicht geben, schließlich ist eine Ausweitung der Kinderbetreuung geplant und zugesichert und schon die wird kaum geschafft. Bei den vielen neuen Kindergartenplätzen, die benötigt werden wird es mit einer so exklusiven Betreuung eng
Antwort:
Eine Ausweitung der Kinderbetreuung auf 1:4 wäre spielend möglich, leider aber kürzt man die Lehrerstellen, die Erzieher ausbilden könnten und zwar weil man eben Staatsgelder lieber an marode Banken verschenkt. Weißt du, wieviele junge Leute pädagogische Berufe ausüben wollen? Zahllose, sogar für den Hungerlohn, den man momentan dafür bekommt. In Dänemark wird übrigens ein Schlüssel von 1:4 nicht als besonders exklusiv betrachtet, man geht dort davon aus, dass eine Mutter mit Vierlingen ausgesprochen viel zu tun hätte und sogar unbedingt noch Hilfe bräuchte, warum sollte eine professionelle Fachkraft nicht mit der gleichen Wertschätzung rechnen können?
Anja Röhl