Linke Homophobie
Der 17. Mai wird als Internationaler Tag gegen Homophobie gefeiert, nachdem an diesem Tag im Jahre 1990 die Generalversammlung der WHO längst Überfälliges beschloss: Homosexualität von der Liste psychischer Krankheiten zu streichen.
Seitdem wird es als eine normale Variante des Liebeslebens angesehen, die jedem Menschen im Laufe seines Lebens, einmalig oder dauerhaft, „passieren“ kann, weshalb weder Mann noch Frau also „unnormal“ sind. Neueste Untersuchungen zeigen, dass diese Möglichkeit zu lieben in der Natur durchaus vorgesehen ist und dem keine hormonellen Veränderungen zugrunde liegen. Im Tierreich ist diese Variante sowohl sehr verbreitet als auch deutlich akzeptierter. Noch immer sind „schwul“ und „lesbisch“ Schulhof- und Straßenschimpfwörter und man stellt sich unter gleichgeschlechtlicher Liebe unklar etwas Schmutziges und Anrüchiges vor. Daher leben auf dem Lande und in überschaubaren städtischen Gemeinden
beinahe alle gleichgeschlechtlich Liebenden ungeoutet. Verheimlichte Beziehungen aber zerrütten schneller, denn es fällt schwerer, zueinander zu stehen, wenn Arbeitskolleginnen nach dem Mann fragen, Eltern die Partnerinnen nicht akzeptieren und nicht mit einladen wollen, oder Schulkameradinnen sich wundern, warum frau noch immer keinen Freund hat. So wird sich zurückgezogen und in einem unsichtbaren Ghetto gelebt, nur noch in der Partnerschaft oder der „Szene“. Da kommt es dann zu Streit und Zank und schon ist frau wieder allein. Und Frauen, die Frauen lieben, leben in der Regel isolierter als Männer, das ist nicht nur schade, sondern auch schädlich und muss aufhören!
Um der Gewalt und Diskriminierung im Alltag gleichgeschlechtlich liebender Menschen entgegen zu treten, mobilisieren viele Organisationen rund um den 17. Mai zu zahlreichen Aktionen gegen Homophobie und Hassgewalt. Der Kuss wird bei den diesjährigen Aktionen zum Symbol einer Sexualität, die eingebettet ist in Liebe und Zuneigung. Menschen gleichen Geschlechts, die sich in der Öffentlichkeit küssen, sind immer wieder Zielscheibe von Beleidigung, Bedrohung und körperlichen Angriffen. Das soll nicht weiter akzeptiert werden. Der Kuss drückt Zartheit, Leidenschaft, Liebe und Beziehungswunsch aus. Es wird dazu aufgerufen, den Kuss zu schützen, um ein deutliches Zeichen gegen Homophobie und Hassgewalt zu setzen!
In MV ist es leider auch noch nicht selbstverständlich, sich mit einer Liebsten an den Händen fassend und umarmt sehen zu lassen. Viele haben Angst, Arbeitskollegen zu treffen, Familienangehörige zu schockieren oder kleinere Geschwister dem rechten Mob auszusetzen.
Dass es auch in linken Zusammenhängen ein Problem ist, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ungern redet man drüber, die Betroffenen suchen statt Solidarität den Weg des aktiven Verschweigens. Diese „Privatsache“ solle man nicht politisieren, da man sonst „einseitig“ sei.
Aber schon im Heftchen Durch-Blick, PDS-Politik von A bis Z, hrsgb. v. Buvo, 2002, steht auf Seite 67, dass es sich bei der Diskriminierung von sexueller Orientierung um „gestrige Moralvorstellungen“ handele und gegen Benachteiligungen dieser Art nur ein „wirksames Antidiskriminierungsgesetz helfe, wie es die PDS seit Langem fordere“. Gleichwertigkeit aller Lebensformen und der Kampf gegen Ausgrenzung von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen, wird in diesem Kapitel zu einem wichtigen Ziel erklärt, für dass sich die linke Partei auf allen Ebenen einzusetzen habe.
Doch manche lesen so was nicht. Vor einigen Wochen passierte es, dass eine Genossin mir erbost mitteilte, dass sie die Kultur und Beratungsangebote in einem hiesigen FrauenLesbentreffpunkt niemals unterstützen könne. „Dafür kann ich keine Werbung machen! (– Warum?) – Weil es lesbisch ist… (Wie bitte???) – Das verträgt sich nicht mit meiner Weltanschauung!“ Mitarbeiter des Ladens glaubten erst, dass diese Frau rechtem Gedankengut nahe stehe, aber es stellte sich heraus, dass es diejenige junge Genossin war, die eben noch, wegen ihres halbfertigen Betriebswirtschaftsstudiums für einen Geschäftsführerposten der Linken nominiert wurde und erst kürzlich für dieselbe Linke ins Rathaus geschickt wurde. Interessiert nicht mehr, ob auch linke Positionen vertreten werden oder zumindest das Programm bekannt ist?