Bessere Zeiten – Filmrezension

serveImage. bessere zeitenPernilla August spielte in Ingmar Bergmans »Fanny und Alexander« eine Haushälterin und später in »Star Wars« die Mutter von Anakin Skywalker. Ihr Spielfilmregiedebüt »Bessere Zeiten« ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans, der im Schweden der 70er Jahre spielt. Ohne Kontakt zu ihren alkoholkranken Eltern hat Leena (Noomi Rapace) sich in den besseren Zeiten aus dem Titel eingerichtet. Sie liegt mit dem sie zärtlich liebenden Ehemann im wohltemperierten Bett, zwei als Engel verkleidete Kinder bringen das Frühstück. Da ruft die Vergangenheit an, zuerst ihre Mutter mit tränenerstickter Stimme, danach das Krankenhaus, ihre Mutter liege im Sterben und wolle sie sehen. Ab da ist die Hauptdarstellerin meistens erstarrt.

Flieht in den Schwimmsport

Der Mann nimmt alles in die Hand, die Kinder kommen mit, ist sicher gut für sie. Auf der Fahrt ans Sterbebett ihrer Mutter verursacht Leena beinahe einen Unfall, sie ist gereizt, steht unter dem Eindruck von Flashbacks. Man sieht sie als neunjährige Ersatzmutter ihres sechsjährigen Bruders. Erinnerungen an eine Kindheit mit starken Stimmungsschwankungen, sexualisierten Exzessen und Gewaltausbrüchen. Die Neunjährige ist mit Tehilla Blad stark besetzt, davon leben die Rückblenden. Ab und an gibt es noch Normalität, ein Gespräch mit den Eltern, Hoffnung auf eine neue Wohnung, aber meist überwiegen Scham und Angst der parentalisierten Tochter. Tagsüber liegen die Eltern betäubt in den Betten, nachts grölen sie herum. Leena flieht in den Schwimmsport, ihr Bruder entwickelt eine katatone Schizophrenie. Immer wieder badet sie ihn und taucht seine Ohren ins warme Wasser, damit er das Brüllen der Eltern nicht mit anhören muß. Die hilflosen Versuche, ihn seelisch am Leben zu erhalten, scheitern, er schafft es nicht. Sie selbst reagiert sich im Wasser ab, durch dass sie immer schneller krault, von Sieg zu Sieg.

Erinnern, wiederholen, durcharbeiten

Am Bett der Mutter im Hospital versteinert Leena weiter. Härte und Kälte strahlen nun auch auf ihre Kinder und ihren Mann ab. Auf einmal brüllt sie, wird handgreiflich – Abklatschbilder der Flashbackszenen, Verarbeitung durch Wiederholung. Erinnern, wiederholen, durcharbeiten, sagte Freud, aber möglichst nicht in der eigenen Familie, sondern auf der Analytikercouch.
Leena schafft auf Wunsch der Mutter die Urne des Mannes herbei, der ihr Leben zerstört hat. Als die Mutter daraufhin findet, sie habe ein »lustiges Leben« gehabt, brüllt Leena, das sei gelogen und übrigens habe die Mutter ihren Sohn auf dem Gewissen. Daraufhin stirbt die Mutter, Leena krümmt sich: Das habe sie nicht gewollt. Letzte Szene: Sie streift der Toten den Ehering des Vaters über.

Bessere Zeiten? Arme Kinder haben keine

So wird die autobiographische Romanvorlage psychologisch genau nachgespielt. Das beste sind die Rückblenden. Ansonsten bleibt der Film etwas dünn und glatt, es fehlt vor allem Widersprüchliches. Als Sozialdrama angelegt, bietet er kaum Sozialkritik, bleibt irgendwo stehen, ich kann nicht genau sagen wo. Die Erwachsenenfiguren sind eher flach geraten. »Bessere Zeiten« sehe ich übrigens auch nicht. Arme Kinder haben keine, und das liegt nicht am Einzelnen, wie es in diesem Film manchmal scheinen könnte.

“Bessere Zeiten”, Regie: Pernilla August, Schweden 2010, 94 min, bereits angelaufen

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