Schmutzige Hände im Volkstheater Rostock – Rezension

Das Rostocker Theater war schon öfter in der Presse, es warf seinen Intendanten raus, obgleich er einer der inovativsten Deutschlands (Sewan Latchinian) war, das kostete den Rostocker Senat Hunderttausende, und dann wurde es erstmal etwas stiller ums Haus. Nun soll ein ganz neues Haus entstehen. Vorerst noch im alten Haus besuchte ich kürzlich zwei moderne Aufführungen, die mich sehr überzeugten:

  1. Die schmutzigen Hände, von Jean Paul Sartre, um Längen besser als die Version desselben Stückes, zeitgleich am Berliner BE. Im BE: Graue, kalte Inszenierung, abstoßende Figuren, keine Auseinandersetzung mit dem Problem des Verhaltens von Menschen im Überlebenskampf des Widerstands gegen eine todesbringende Diktatur. Nichts als Verurteilung, einseitige Charaktere, Langeweile. Im Rostocker Volkstheater: Lebendige Menschen auf der Bühne, mit denen eine Identifikation möglich war. Empathie in Menschen, die in existentiellen Konflikten sind. Bühnenbild authentisch durch Kleinigkeiten, die Echtheit der dargestellten Situation zeigen: Hotelszenerie, als Beispiel für die Flüchtigkeit des Lebens im Widerstand. Die Charaktere, allesamt glänzend besetzt, stellen ihre Figuren widersprüchlich, schillernd, mehrdimensional dar. Im Ergebnis: Ein nachdenkliches Publikum, was sich Gedanken nicht nur über historische Ereignisse macht, was über sich selbst nachdenkt. Das Sartre-Stück ist universell wirksam, sagt etwas über „den Menschen“ aus, seine Schwächen, Stärken, Leidenschaften. Das Stück trennt sich vom engen historischen Rahmen, obgleich es ihn sehr genau und authentisch wiedergibt. Im BE nichts davon, nur eisengraue Stimmung und blanker Antikommunismus, Menschen, die wie Maschinen rüberkommen, das wurde Sartre nicht gerecht. In Rostock das Gegenteil: Im Sinne Sartres Philosophie des Existenzialismus gelingt es hier, indem einfach nur seinen Protagonisten Leben eingespielt wird, etwas Wesentliches über den Menschen an sich mitzuteilen, dass er sich bewähren will und muss. Und beides nicht automatisch etwas Gutes nach sich zieht, sondern auch ein Verbrechen sein kann. Und dass das Gute schwer zu machen ist.
  2. Offene Zweierbeziehung von Dario Fo: Zum zweiten sah ich in der kleinen Warnemünder Bühne ein wunderbares Stück von Dario Fo: Offene Zweierbeziehung. Tausendmal gespielt, tausendmal gesehen, aber hier gelungen wie nie. Das lag an der Besetzung, die beiden Hauptdarsteller haben sich das Stück wirklich aus der Seele gespielt. Das Publikum hat auf dem Boden gelegen vor Lachen, kein gemeines Lachen, kein zynisches, sondern ein erkennendes Lachen. Hier wurde etwas von einem selbst gespielt, köstlich. Wirklich sehr gutes Rostocker Theater!

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