Der aufhaltbare Aufstieg des Arturo Ui im aufBruch Gefängnistheater Berlin

Eine Gängsterkomödie, ein Stück Zeitgeschichte, Al Capone, Hitlers Aufstieg – Brecht nannte den, der bei ihm aufsteigt, Ui, ein lautmalerischer Ausdruck von Überraschung, Schnelligkeit, Blitz, Wind und Kürze.

Ich sah das Stück schon an vielen Bühnen. Hier wird es von Gefangenen selbst gespielt.

Und trotzdem sie das Stück von ihrem Regisseur vorgeschlagen bekommen, obwohl sie vielleicht nie ein Wort von Bertold Brecht je gelesen haben, so wirkt doch ihr Auftreten, ihr Spiel in Gestik, Mimik und Intonation, als hätten sie es sich eben selbst ausgedacht und überlegt, es passend zu ihrer Lebenssituation, genau hier in diesem Gefängnishof, zwischen den Mauern und vergitterten Fenstern aufzuführen. Nicht als sie selbst, nicht naturalistisch, nein, als ein Spiel, das sie spielen, in einem bewussten Akt der Reflektion, des Nachdenkens über Mechanismen, als Mahnung vor Kommenden, als Akt der Aufklärung. Für uns, die Bürgerlichen, die noch draußen leben dürfen, denen es noch gut geht, die durch dieses Stück, das Kommende aber schon erahnen können und möglichst noch aufhalten sollen.

Kurz: Ich war schwer begeistert! Brecht´sche Spielweise kann heute nicht mehr jedes Theater, hier ist es gelungen. Einfach, klar, reflektiert und authentisch bis in die kleinste Einzelheit. Nun hat das Stück vom Inhalt her schon eine starke Berührung zum kriminellen Milieu, aber, dass die Gefangenen-Spieler es tragisch spielen und dennoch komisch, ernsthaft und tiefgründig, dass jede Figur stimmt und man es nie wieder woanders sehen will, das ist schon erstaunlich. Mich überrascht das aufBruch-Theater jedes Mal, es kann doch nicht sein, denke ich immer, dass diese Laienspieler in Ihrer Darstellungskunst den professionellen Schauspielern derart voraus sind, und ich kann es gar nicht glauben, dass es mir dort immer so ausnehmend stark gefällt.  

Spielort ist nur symbolisch Chicago, es könnte auch Neapel sein, es herrscht eine Wirtschaftskrise, in den Docks rumort es, der kleine Mann hat nichts zu beißen, die Waren finden keinen Absatz. So gehen die Geschäfte bankrott. Da kommt Arturo Ui, der Gangster und stellt den Großen und den Kleinen seine „Hilfe“ zur Verfügung. Er schafft ein brutales System der Macht. Sein Mittel ist die Gewalt. Er teilt Gewalt aus, und verspricht Schutz vor ihr. Teuflisch, aber bekannt. Die Parabel der Schutzgelderpressung für den Aufstieg Adolf Hitlers zu nehmen, ist genial, aber kommt hin. Und ist aktuell, denn liest man das damalige NS-Parteiprogramm und vergleicht es mit einer heutigen Partei gleicher Bauweise, so staunt der Fachmann und der Laie wundert sich. Ist das noch aufhaltsam? Auch darüber kommt man ins Nachdenken durch dieses Stück und wie es hier gespielt wird. Grausam, tragisch, aufrüttelnd. Großartige Besetzung, großartige Verdichtung, super klare Sprache und überzeugendes Spiel aller.

Das aufBruch-Theater benutzt zwei Techniken, die von Brecht sind, mir aber nicht immer gefallen, es lässt die Hauptdarsteller von verschiedenen Darstellern spielen und es benutzt oft den von vielen gesprochenen Gruppenmonolog. Vorsicht bei diesen Mitteln. Sie können leicht zu redundant wirken. Sonst aber super!

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