Die Dada-Diven im Ramba Zamba Theater

rambazambaEin rauschendes Fest begleitete die neue Premiere des Ramba Zamba Theaters, die Dada-Diven (Regie: Gisela Höhne), dazu gab es Kostümschows, Bandauftritte, Szenenausschnitte aus dem umfangreichen Repertoire, spätabends Eckerhard Wenzel und Meret Becker als Gäste, das war das 25-jährige Jubiläum des Ramba Zamba Theaters.

25 Jahre macht dieses Theater nun schon avantgardistisches Theater mit Menschen, die uns im Allgemeinen fremd sind, und, da sie etwas anders lernen als üblich, etwas anders aussehen, etwas anders sprechen als wir, mehr Zeit brauchen, auch emotional etwas  anders sind als die gedachte „übliche Mehrheit“, und die deshalb als „geistig behindert“ gelten.

Das Unkorrekte salonfähig machen

Das Ramba Zamba Theater hat eindrücklich, innerhalb der letzten 25 Jahre gezeigt, wie man die Talente besonderer Menschen fördern kann, und zwar über Interesse, Phantasie und Gefühl, über den aktiven künstlerischen Ausdruck, über etwas, was wir alle in uns haben: Leidenschaft.

Dazu kommen die Stoffe und Farben. Der Stoff und Inhalt jedes Stückes wird gemeinsam mit allen entwickelt, es macht hier also niemand etwas, was er nicht will, oder kennt, oder was ihm ein anderer aufoktroyiert hat. Der Einfallsreichtum der Farb-  und Formgestaltung genauso, alles wird im angeschlossenen Atelier Sonnenuhr gemalt und gestaltet. Kostüme und Maske werden den Spielern von Beatrix Brandler “wie eine zweite Haut angepasst”, oft enthalten sie Unkorrektes, kleine Schwächen, etwas, was nicht zuende genäht wurde, fehlerhaft aussieht. Darin liegt ein System: Das Unkorrekte salonfähig machen.

Was diese “Fremden” für Menschen sind

Viele schwere künstlerisch relevante Themen aus allen Menschheitsepochen werden vom Ensemble gespielt und deren Botschaften können besser vermittelt werden als allgemein üblich, Medea, Orpheus und Euridike, Shakespeare und Brecht, Erwachsenenstoffe, alles versteht man plötzlich.  Das macht neugierig und zeigt uns nebenbei, was diese „Fremden“ für Menschen sind: Besondere, für die wir während des Spiels Achtung und Respekt entwickeln und damit vom Hilfe- und Betreuungsgedanken wegkommen, der noch immer allzu oft Bevormundung beinhaltet. Die Kunst, die sie bieten kommt uns nah, ihre Botschaften vermischen sich mit denen der antiken und weltliterarischen Künstlern und sagen uns etwas: Über Freude und Leiden, über Verzweiflung und Einsamkeit, über die Überwindung von Schmerz durch Bewusstheit, Humor und Spiel.

Glaubt nicht alles

Beim neuen Stück konnte man etwas über die Dada-Bewegung erfahren, die für die Unkundigen nichts als Buchstabensalat ist, in Wahrheit ist darin aber eine boheme-hafte Gesellschaftskitik enthalten, nämlich: Glaubt nicht alles, verfremdet, zerschneidet die Sprache, baut sie neu zusammen, spielt mit den Buchstaben, dann befreit ihr euch von Manipulation und Fremdbestimmung. All das passiert hier und wird originell umgesetzt. ZB spielt jeder der Schauspieler einen Buchstaben, singt ihn, tanzt ihn, kombiniert, zitiert zeitgenössische Dadaisten und stellt die Texte in eigenen Zusammenhang:

Rot ist die Wirklichkeit

„Will nicht mehr eulen bleiben, denn wer einmal eulen war, wird immer eulen bleiben / anett, benett, sonett, internet“  Farben lernen, eine langweilige Übung, die endlos mit kleinen und großen Menschen gemacht wird, obgleich sie es längst können, wird originell verfremdet und dabei mehr gesagt als nur das:  „Rot ist der Wein, rot die Fahnen, rot der Mund, rot die Wirklichkeit, rot der Herbst und manche blauen Blätter“, Trauriges: „Schwarz ist der Tag, der Tod, dunkel“ Buchstaben werden lautiert mittels Gesang, rhythmisiert durch eine Schreibmaschine, die ins Schlagzeug eingebunden ist, auf ihnen wird herumgetrampelt, sie werden zerrissen, zerhackt, und immer sagen die Spieler auch etwas über sich selbst dabei aus, über ihre Wirklichkeit. Ich hab noch nie so gut Dada begriffen!

Ein rothaariger Mann

Zum Beispiel in dem absurden Gedicht von Daniil Charms: „Es war einmal ein rothaariger Mann, der hatte keine Augen und keine Ohren, Haare hatte er auch keine, so dass man ihn nur bedingt einen rothaarigen Mann nennen konnte, sprechen konnte er auch nicht, denn er hatte keinen Mund, eine Nase hatte er auch nicht, er hatte auch keine Arme und Beine, und er hatte keinen Bauch und keinen Rücken und kein Rückgrat, Eingeweide hatte er auch nicht. Überhaupt nichts hatte er, so dass man gar nicht versteht, von wem die Rede ist. Besser, wir sprechen nicht mehr von ihm.“  Die Rezitation dieses Gedichts wird begleitet durch Pantomime, in dem der Spieler jede Textzeile an seinem Körper zeigt, was ungeheuer komisch wirkt. Und es hat einen tieferen Ernst. Wie man oft auch von Menschen mit Behinderungen spricht, man zählt Diagnosen auf, aber beschreibt dabei keinen Menschen.

Schreit wie Janis Joplin

Themen, die durch die Wortsprengsel hindurch hörbar werden, sind unsichtbar und verborgen, man hört oft nur jeweils Anklänge und kann dann, muss dann frei assoziieren. Der Rest des Abends, der bis in die Tiefe der Nacht ging, war auch nicht zu verachten: Man sah die Spieler, die eben noch das neue Stück auf der Bühne präsentierten, im nächsten Moment in einer neuen Kostümierung (einmalig phantasievoll, immer bombastisch, und doch nie kitschig, philosophisch von Beatrix Brandler) durch das Haus laufen, sowie auf einem Laufsteg uralte Schlüsselszenen vergangener und Repertoirestücke rezitieren und spielen, dazu gab es eine Band, die Gedichte der Dadaisten und anderer moderner Lyriker (“…nicht nur aus Mitleid treu!” ) vertont hat, dessen blutjunger Singer noch neu beim RambaZamba ist, aber schon ohne jede Scheu den ganzen Saal mit Gesang und einer Bebock-Performance am Kochen hält. Am Ende kniet sich der baumlange Kerl vor das Mikro und schreit wie Janis Joplin, bis ihm die Puste wegbleibt: Das Publikum tobt!

Vorreiterrolle geschaffen

Eckerhard Wenzel und Meret Becker schenken einige Teile aus ihrem Repertoire, sagen, wie sehr sie das Theater und Ihr Ensemble lieben, der neue Intendant (Jakob Höhne) hält seine Eingangsrede noch etwas stockend, aber überwältigt von der Resonanz, die das Theater weltberühmt gemacht und damit den Menschen mit Behinderungen, denen man oft keine  große Merk- und Entwicklungsfähigkeit zutraute, eine große Vorreiterrolle in Bezug auf ihre Stellung in der Gesellschaft geschaffen hat. Herzlichen Glückwunsch, Ramba Zamba Theater!

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