Menschen im Hotel – in Zinnowitz – Rezension

Eine Freude ist es, wie in diesem Sommer Eleven auf der Vorpommerschen Landesbühne das Stück: Menschen im Hotel in Zinnowitz auf die Bühne bringen. Obwohl eine Literaturadaptation, und kein Stück eines Theaterschreibers, trifft diese Aufführung den Roman der völlig unterschätzten Vicki Baum punktgenau. Sowohl, was die Feinzeichnung der Charaktere betrifft, als auch, was die Stimmungen, die gesellschaftlichen Dimensionen, die Bilder und die Dialoge betrifft. Auch die Schnelligkeit und Leidenschaft, mit der gespielt wird, nimmt die des Romans auf, der schon modern-montagehaft angelegt ist.

Im Mittelpunkt stehen mehrere Hauptpersonen, die in schicksalhafte Verbindung und Verkettung geraten. Am Ende gehen sie als andere Personen raus aus der „Drehtür des Lebens“, zu der hier die Hoteltür wird, als rein. Der als Verlierer gekommene todkranke „vermickerte“ Angestellte Kringelein, ein kleiner Mann, wie bei Fallada, geht am Ende des Romans als reicher Sieger mit dem hübschesten Mädchen davon, und der reiche Chef dieses Mannes, der ihn ewig unterdrückt und gedemütigt hat, ein Kapitalist alter Schule, mit den Börsengesetzen noch etwas unvertraut, landet am Ende im Gefängnis. Ein Hochstapler, Heiratsschwindler und Dieb erlebt erstmalig eine echte Liebe und stirbt, eine Primaballerina, die in die Jahre gekommen ist, schöpft neuen Lebensmut. Und all das passiert in nur zwei/drei Tagen, in denen der Portier nervös auf das Niederkommen seiner Frau hofft und auf sein erstes Kind wartet.

Alle Spielenden meistern nicht nur ihre Rollen bravourös, passen auch perfekt als Spielende zu den Personen, sondern sie füllen sie auch mit Fleisch und Blut, mit Emotionen und Leidenschaft, mit ungeheurer Spielfreude. Genial wie sie die standesmäßige “Einkleidung” des Kringelein durch den Hochstapler darstellen, der zu dem Zweck im wahrsten Sinne “auf den Kopf gestellt” wird, und wie seine schillernde, gebrochene und langjährig gedemütigte Seele doch seine Würde behält. Die Frauenpersonen, von Vicki Baum im Roman mit größter Sorgfalt, Würde und Tiefe gezeichnet, wurden wunderbar vielschichtig bespielt, eine Glanzleistung auf allen Ebenen.

Und auch das wurde deutlich und nachfühlbar gemacht: Der Hotelroman ( erschienen 1929, drei Jahre vor dem Kleinen Mann von Fallada) steht exemplarisch für vieles, für die frühen, wie für die späten 20erJahre. In den frühen 20er Jahren legten die Frauen und Mädchen gesellschaftlich zu, wurden fröhlich und übermütig, gewannen an Selbstbewusstsein, und tanzten immerzu. Der Krieg war vorbei, und sie hatten, aufgrund Millionen fehlender Männer, in vielen Berufen die Oberhand. In den späten 20er Jahren drückten  Krisen die Menschen nieder. Vicki Baum zeichnet ein erstaunlich aktuelles Gesellschaftsbild. Und die Schauspielstudierenden haben es glanzvoll auf die Bühne gebracht! Besser als auf manchen großen Bühnen die etablierten Schauspieler! Lohnt sich anzuschauen!

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