Titus Andronicus – AufBruch-Gefängnistheater

Titus Andronicus von Shakespeare im AufBruch Gefängnistheater – Einzigartige Darbietung! Weg mit den Streichungsplänen – Solidarisch mit dem Theater sein

Das Publikum stand auf und klatschte eine halbe Stunde lang, standing ovations im Gefängnisinnenhof im Tegeler Männergefängnis. Die Laiendarsteller der aufBruch-Gefängnisproduktion strahlten, erneut war ihnen ein klassisches Theaterstück, an das sich wegen seiner Brutalität nur wenige Theater wagen, nicht nur gelungen, sondern außerordentlich gut gelungen. Das Stück, das die Themen Rache und Eskalation verhandelt und in dessen Verlauf zahlreiche Menschen gedemütigt, gequält und ermordet werden, ist zeitlos. Es packt einen grade in heutigen Zeiten, wo uns die Kriege der Welt ständig näherkommen und wir auch in sie auf vielfältige Weise verwickelt sind.

Kriege und Machtspiele: Wo hat es begonnen, was war die erste falsche Handlung? Kinder würden fragen: Wer hat angefangen? Von da aus beginnt sich der Faden der Rache abzuspulen, so stellt es Shakespeare dar und so haben es moderne Autoren, wie Heiner Müller und Friedrich Dürrenmatt, hier als Grundlage verwendet, neu dramatisiert.

Zu Beginn kehrt der siegreiche Feldherr Titus Andronicus aus der Schlacht heim nach Rom. Siegreich war er, aber was mussten die Soldaten dafür bezahlen? Allein er selbst verlor 11 seiner Söhne. Müde und vielfach verwundet kehrt das Herr aus dem Krieg zurück, es schlurft, es kriecht, diegreich, aber müde und verroht. Derweil stehen zuhause neue Machthaber zur Diskussion, die zwei Kaisersöhne, der erste: Saturnin und der zweite: Bassian, wollen den gestorbenen Vater beerben. Titus soll es aber werden, so fordert in der Willkommensstimmung das Volk.  Titus aber ist müde, will ausruhen, lehnt ab. Doch zuvor will er sich an der gefangenen Gotenkönigin Tamora rächen. Der älteste ihrer Söhne wird von seinem Ältesten ergriffen, der erbost und verzweifelt ist, wegen seiner von den Goten getöteten Brüder,  und wird nun seinerseits grausam getötet, Tamora fleht um Gnade für ihn, vergeblich! Der nun neue Kaiser, Saturnin, plant als erstes, den Konkurrenten um die Kaiserwürde, Titus, der, obgleich vom Volk vorgezogen, so dumm war, zu verzichten, für alle Zeiten auszuschalten. Deshalb macht er einen folgenschweren Schachzug, er nimmt sich die versklavte, eben noch zu Tode gekränkte Gotenkönigin zur Frau und setzt sie damit als Kaiserin über alle ein. Nun herrscht die Erzfeindin, der Titus den ältesten Sohn töten ließ, über das ganze römische Volk. Das kann nicht gut gehen und im weiteren Verlauf der Handlung wird man Zeuge einer einzigen Reihe von grausamen Rachehandlungen dieser Königin. Der älteste Sohn Titus´wird im Verlauf dieser Rachehandlungen, die seine Familie fast komplett auslöschen, ebenfalls von der Rachegöttin gejagt, flieht nun seinerseits zu den Goten, sammelt ein Gotenherr und zieht gegen Rom.  Interessant an dieser Konstellation: Der Feind als Spitzel oder Renegat, jeweils an den Machtstellen des anderen Volkes, ist oft von den geringsten Skrupeln geplagt.

Kriege entstehen aus Rache, das wollte Shakespeare schon vor 500 Jahren anprangern, Rache entsteht aus Schmerz, Verletzung, Verzweiflung, und führt zu neuem Schmerz, neuer Verletzung, neuer Verzweiflung, so wird es ein endloses Spiel, bis alles zerstört, alle erschöpft oder tot sind. Nichts in diesem Spiel ist lustig, alles dramatisch und brutal, aber doch ist es mit wenigen Mitteln gelungen, hier „Komödie“ zu gestalten. Allerdings bleibt einem nicht selten das Lachen im Halse stecken. Lehrreich ist es jedenfalls, Politiker der ganzen Welt sollten hier eingeladen werden: Als erstes Putin, Netanjau, Merz. Rache ist aber auch etwas, das schon zu Vorzeiten immer wieder auch bekämpft wurde, durch Versöhnungsversammlungen, durch Gesetze… es ist eine Menschheitsaufgabe, die Ursachen der Gewalt zu bekämpfen und Kriege zu vermeiden, die wichtigste sogar. Und die Hintergründe von allem? Sie werden hier schonungslos aufgedeckt und beschrieben: Machtstreben! Egoismus!

Das Stück wird leidenschaftlich gespielt, die Brutalität mehrfach komisch gebrochen, die Darbietungen der Spieler sind allesamt herausragend! Sehr viele Lieder brechen die Tragik, Unterbrechungen reflektierender Art helfen zu verstehen und einzuordnen. Es ist als ein Lehrstück gespielt worden, ohne Zeigefinger, stattdessen verspielt, witzig, und doch mit Ernst in Bezug auf die eine große Lehre: Rache, Egomanie, Geld- und Ruhmsucht führen in die völlige Zerstörung!

Mit großer Stimmkraft und großer Charakterdarstellungsfähigkeit spielen die Insassen dieses Stück. Es ist, als ob sie um ihr Leben spielten. Als ob sie etwas aus Ihrem Leben spielten, als ob sie etwas von sich selbst spielend preisgeben. Schaut man hoch, so blickt man auf dreifache Stachdrahtrollen auf Dächern und Mauern, die um eine ganze Stadt herum zu liegen scheinen, die Stadt, in der diese leben müssen, weil auch sie nach dem Prinzip der Rache behandelt werden. Diesen Faden nicht aufzunehmen, versöhnlich auf Gewalt, sei sie persönlich, sei sie staatlich, zu reagieren, wird in Zukunft die Aufgabe dieser Spieler im wirklichen Leben sein, ein Leben, was auch bei uns ganze Bevölkerungsschichten von der gesellschaftlichen und kulturellen Teilhabe ausschließt, was manchem nie eine Chance gibt, was Millionäre bevorzugt und den Menschen, der durch seine eigene Hände Arbeit sich etwas aufbauen möchte, benachteiligt.

Großartig waren alle, aber herausragend: H.Peter Maier C.d.F. als Saturnin und Paul E. als Titus Ältester und Andre´S. als Aaron, der unglaublich eindrucksvoll die Probleme seiner schwarzen Hautfarbe und des damit verbundenden Rassismus darstellte und natürlich auch Atak als Titus, der sehr gut die Gebrochenheit des Feldhern verkörperte.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert