Tomboy – Berlinale – Rezension

Regisseurin von TomboyKein Western – Ein anderer Eröffnungsfilm –  Tomboy: Da ich auf Western keine Lust habe, auf John Wayne schon gar nicht, habe ich mir den Kindereröffnungsfilm ausgesucht, Tomboy, ein Mädchen gibt sich als Junge aus.

Aus dem finsteren, schon schlafen gegangenen Neukölln per U-Bahn anreisend, blenden mich Kosmetikreklamen, als ich mit dem Fahrstuhl vom Bahnsteig Potsdamer Platz aus an die Oberfläche komme. Mitten auf der Straße, wo die Daimler rasen, stolpere ich beinahe über ein halbnacktes Girl im rosa Fummel, posierend, Kameras um sie herum, aus Lautsprechern tönt klassische Begleitmusik eines iranischen Proteststands, wo einige Menschen in gestreiften Anzügen um eine Dauer-Power-Point-Präsentation über iranische Widerstandskämpferfotos am Galgen herumstehen und Flugblätter verteilen. Die Straße rechts und links mit schwarzen Riesenschlitten vollgestellt, gleicht einer Allee. Überall umherhetzende Anzugsmänner mit Frauen auf Stöckelschuhen mit rückenfreiem Schwarzen, obgleich es regnet. Ich betrete seitwärts mein Tomboy-Kino, und kämpfe mich 1 ½ Stunden vor Vorstellungsbeginn zu einem Platz durch. Später stehen an die 150 Leute vor der Tür, so dass keiner mehr raus kann, nicht mal aufs Klo.

Kein Mädchen sein

Tomboy beginnt mit der Rückenansicht der Protagonistin, die in einem Auto steht, auf einem Motorrad fährt, das Auto mit ihrem Vater zusammen steuern darf, und wer nicht vorinformiert ist, hält das Kind sofort für einen Jungen. Der Körper des Kindes scheint streng danach ausgesucht worden zu sein, nicht ein Millimeter an ihr hat etwas Weibliches, dazu wie sie sich kleidet, bewegt, gibt, welchen Interessen sie nachgeht, alles jungenshaft, vateridentifiziert. Sie begegnet nach einem Umzug einem Mädchen aus der Nachbarschaft, diese lächelt sie an und hält sie für einen schüchternen Jungen. Da sagt sie, sie heiße Michael. Von da rollt sich die Handlung ab, bis zur absehbar traurigen Aufdeckung. Die Sensation ist das ausdrucksstarke Gesicht der Hauptdarstellerin, das durch Minimalismus gewinnt, dagegen fallen die anderen Personen ab, am Schlimmsten die kleinere Schwester, die als Mädchengegensatztypus einfach zu übertrieben süßlich gestaltet wurde.

Einfühlung gelungen

Am Eindrucksvollsten ist die Wirkung auf einen selbst, als Laure als „Michael“ enttarnt wurde und die Mutter sie im Kleid herumführt: Da möchte man schreien, dass man ihr das nicht antun darf. Eine Einfühlung in einen Menschen, der sich eindeutig zwischen den Geschlechtern fühlt, ist gut gelungen. Sehenswert um Vorurteile abzubauen und deutlich zu machen, dass Liebe in jeder Richtung möglich ist, auch zwischen Mädchen, übrigens nicht nur, wenn das andere Mädchen gar kein Mädchen sein will.

Weitere Aufführungen: 17.2.11, 16.30 Uhr Haus der Kulturen der Welt,   für Menschen ab 11, deutsch eingesprochen

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