Adams Welt im Grips – Rezension

Nach „aneinander vorbei“ hat das Grips-Theater unter der Regie von Gregory Caers, ein zweites Mal das Experiment gewagt, Kleinkinder von zwei Jahren zu begeistern. Dabei verlassen sie, wie auch im emanzipativen Kindertheater, deutlich konventionelle Wege.

Statt Weihnachtsmänner-, Osterhasen- oder Märchenanimation wird hier Entwicklungs-Theater geboten. Ein Spiel, das sich genau in der Bedürfnisebene eines kleinen Kindes bewegt, den hochsinnlich-auditiv-visuellen Empfindungen eines kreativ-forschenden Geistes nachgeht, der dem Erwachsenen haushoch überlegen ist und keine Angst, sondern Mut, Aktivität und Ideen hervorlocken soll.

Mit Schlagzeug-Stics auf Heizung

Das Spiel beginnt damit, dass die Besucher, kleine wie große, unten im Foyer des Podewil, auf einen Mann aufmerksam werden, der mit Schlagzeug-Stics auf eine Heizung, dann auf einen Wagen, dann auf Stühle und sonstige Sachen verschiedene Takte anschlägt, die sich lockend in Richtung Treppe entfernen und die Besucher langsam in einen großen Saal hinein führen. Denselben Mann, einen schon älteren, mit einem etwas grimmig dreinschauenden Blick, sieht man nun innerhalb eines Rondels aus Bänken stehen, umkreist von mehreren zusammengebundenen Papp-Röhren, die von den Kindern später auseinandergerollt werden.

Bauteile, mit denen das Kind Welt gestalten kann

Waren es im ersten Stück Pappkartons, so sind es hier Papprollen, die im Laufe des Spiels auseinandergenommen, aneinander gebunden, aufgeblättert und verschieden angeordnet werden, in jedem Fall, wie beim Prinzip der Fröbelbausteine, flexibel zusammenzuordnende gleiche Bauteile, mit denen das Kind Welt gestalten kann.  Die drei „Kinder“,  wie immer von Erwachsenen gespielt, (Jens Modalski, Regine Seidler, Alessa Kordek), die sich jetzt dem Arreal von außerhalb (die kleinen Zuschauer sitzen sehr nah auf Bänken) nähern, zeigen in Mimik und Gestik zunächst Angst, dann Neugier, dann Spielfreude, dann wieder Angst, die sich dann in Erleichterung auflöst.

Sie hauchen, trommeln, pusten

Die Schauspieler spielen keine Geschichte, sie springen herum, sie probieren aus, sie hauchen, trommeln, pusten, Worte geben sie nicht in verballhornter Babysprache wieder, sondern in einer dem Deutschen nachempfundenen Phantasiesprache, die nur aus Lauten besteht. Es sind Laut-Experimente, schnalzen, Geräusche machen. Beredt ist dabei der ganze Körper.  Eine hohe Anforderung an die Schauspieler, denn nichts darf Erwachsenen-herablassend, nichts Kinder-tümelnd, nichts albern oder gar moralisch wirken.

In Phantasiegeschöpfe verwandeln

Dann muss Neugier angereizt werden, ohne Animation zu sein. Es gelingt: Aus den Röhren werden Sachen herausgezaubert, damit wird ausprobiert. Die Kinder ziehen sich Dinge auf die Köpfe, zB Pflanzenmützen, dann Ganzkörperstricksachen, mit denen sie sich in Phantasiegeschöpfe verwandeln, schöne Tiere, stolzen Vögeln gleich, die herumstolzieren. Dann werden die Röhren hingelegt, zum Rollen, Balancieren, Bauen genommen.

Sieht man leibhaftig vor sich: Vögel, Schmetterlinge, Raubtiere

Die stärkste Szene spielt sich in einem imaginären Dschungel ab, der allein mit Mundgeräuschen imaginiert wird, auf einem aus Pappröhren gebauten Boot drängeln sich die Kinder und der Opa, dazu fliegen Vögel, Schmetterlinge und auch Raubtiere kommen vor, sie werden einzig durch Geräusche und Bewegungen von den Schauspielern angeregt.

Mut machen und positives Beispiel

Nach der Aufführung dürfen die Kinder, wie in dem ersten Stück, einfach aus dem Vorgeführten etwas nachmachen. Die Utensilien liegen zwischen den Füßen der Kinder herum, um die Bänke verstreut, auf denen sie eben noch gesessen haben.  Die Spieler sind auch noch da, man kann sie anfassen. Manche trauen sich das, manche nicht, dies ist auch von den Begleitpersonen abhängig. Im Kleinkindtheater, hat man es nicht nur mit den Kindern, sondern auch mit den Eltern und Erziehern zu tun. Ich beobachte eine größere Krippen-Gruppe, die von drei Erzieherinnen begleitet wird, die ununterbrochen, ab Foyer bis zum Saal und auch da noch, die Kinder drängen, die Erzieher festzuhalten, so als seien sie auf einer verkehrsreichen Straße und könnten jeden Moment verloren gehen. Sie werden geführt, gedrängt, gezogen, gehalten und am freien Ausdruck komplett gehindert.  Weit und breit ist kein Auto zu sehen. Auch werden sie, lange vor Beginn des Stückes, permanent zur Ruhe aufgefordert.  Ogleich doch andere Kinder vor Vergnügen jauchzen, rennen und schreien. Die Kinder dieser Gruppe blieben bis zum Schluss eingeschüchtert und ängstlich und trauten sich eine freie Bewegung nicht zu. Braucht das Grips-Theater  besonders freie Kinder, die hier mitgehen können? Nein, es hat den Anspruch, auch die an Unfreiheit und Gängelung gewöhnten Kinder herauszulösen aus dem, was ihnen da Falsches und Unadäquates geschieht. Denn wir wissen: Lernt ein Kind sich nicht frei bewegen, wird es nie lernen, sich vor Gefahren zu schützen. Das hat schon Rousseau erforscht. Dazu gehört Mutmachen und positives Beispiel. Dies wird in diesem Theater geleistet. Doch ist es im Kleinkindalter besonders schwer, da die mitkommenden  Erwachsenen ja eine noch viel dominierendere Rolle spielen und die Kinder von viel stärkerer Angst beherrscht sind, etwas falsch zu machen und dafür die sie schützenden Erwachsenen zu verlieren.

Eine Geschichte ist nicht genügend deutlich geworden, dafür Spielassoziationen und Phantasieanregungen

Die Geschichte selbst, also dass die Hauptperson ein etwas versponnener alter Mann sein sollte, mit dem die Kinder spielen und der dann abgeholt wird aus seinem und der Kinder Paradies, die ist, glaube ich, nicht genügend deutlich geworden und sollte vielleicht auch nicht. Entsprechend der sprunghaften Aufmerksamkeit in diesem Alter, bestand das Stück vor allem aus Spielassoziationen und Phantasieanregungen, so kann man auch begleitend zum Spiel, sich unter einer bestimmten Webadresse (www.grips-theater.de/adamswelt) Kleinkindspiele herunterladen, die von Entwicklungspsychologen empfohlen werden. Mit vielen guten pädagogischen Hinweisen und Tipps für Eltern und andere Begleiter der Kleinkinder- Kreativitäts- und Freiheitswelt, zu der wir hochschauen und nicht hinabblicken sollen, um mit Janucz Korczak zu sprechen.

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