Almanya – Berlinale Rezension

Almanya_szene_bett__876571bGroßes Lob an die beiden Enkellinnen Samdereli, die einen Teil der deutschen Geschichte gestaltet haben, die in Deutschland heute unsere Politiker so gern vergessen möchten, unsere „Gastarbeitergeschichte“.

Deutschland hat gerufen und sie sind gekommen, nicht Ausländer, sondern Menschen, nach dem berühmten Zitat von Max Frisch, das im Abspann des Films eingeblendet wird. Ein wunderschöner Film, wirklich, gleich noch im Kino musste ich Freunde anrufen, geht in diesen Film, rief ich noch aufgewühlt, geht da rein und weint und lacht, wie ich gelacht und geweint habe. An diesem Film stimmt einfach alles, er nennt sich Komödie, aber er ist auch manchmal traurig, er ist leicht und verständlich, aber er sagt auch Ernsthaftes aus. Er nimmt den Blickwinkel der ersten Gastarbeiter, der zweiten und dritten Generation ein, er schafft das durch eine einfache Verwobenheit innerhalb einer Reise, die Erinnerungen hervorholt und alle vorkommenden Generationen miteinander geschickt verbindet.

Er brauche ihre Hilfe

Zu Beginn sitzen alle bei einem großen Essen zusammen und der Vater erklärt, dass er ein Haus in der Türkei gekauft habe, alle schütteln entsetzt den Kopf, als er verkündet, dass alle auch noch diesen Sommer dort „runter“ fahren sollen, da er Hilfe beim Hausbau brauche. Die Kinder haben aber andere Sorgen. Jeder seine, die Mutter freut sich auf die bevorstehende Einbürgerung des alten Ehepaares, will nicht in die Türkei zurück, die Enkelin, aus deren Sicht das Ganze erzählt wird, hat gerade erfahren, schwanger zu sein, ohne der Verwandtschaft bisher überhaupt irgendetwas von einem Freund erzählt zu haben, der jüngste Sohn ist ein feingeistiger Hypochonder, der schon das scharfe Essen der Mutter nicht verträgt, schon gar nicht die heiße Sonne Anatoliens, und der Enkel erfährt in der Schule, dass der Ort, aus dem sein Großvater einst kam, auf der Europakarte nicht mehr drauf ist, so dass sein kleines Fähnchen weit außerhalb aller anderen hingestellt wird. Alle Personen werden eine gute, kleine Spur augenzwinkernd gegeben, das macht das Komödiantische aus, die Übertreibungen gehen aber nie ins Lächerliche, sondern wie guter Witz, vermitteln sie Wahrheiten, die man ohne diesen Witz weniger gut hätte ausdrücken können.   Der Vater mag kein Deutscher werden, aber beruhigt die Mutter, das Haus sei nur ein Sommersitz. Die Szene anschließend im Einbürgerungsbüro ist von umwerfender Komik (warum, wird nicht verraten!). Gleichzeitig kommt eine Einladung von Angela Merkel, er solle als Eine-Million-Eins´ter Türke eine Rede über Deutschland halten.

Zieht aus sein Glück zu machen

Irgendwann beginnt die junge Enkelin mit dem noch heimlichen Kind im Bauch dem kleinen Cousin die Geschichte von Nene und Dede (Oma und Opa) zu erzählen. Sie beginnt mit dem Kennenlernen der Großeltern auf dem Dorf, die Szenen wirken märchenhaft und witzig, der Opa als junger Mann steht mit dem Esel hinter einem Baum, sie haut ihm eins mit dem Knüppel über, beide lachen, dann „entführt“ er sie, sie sind zusammen, so war das Dorfleben damals, denn die Zeit war recht freigeistig in den 60-iger Jahren, auch in der Türkei, Atatürk hatte gesiegt und man war weit entfernt von jedem islamischen Fundamentalistentum, Verschleierung war verboten, Frauen trugen wenn, dann die Kopftücher nur gegen den Wind. Die Großeltern ziehen in eine kleine Stadt, da ist das Leben entbehrungsreich, der Vater hört von Deutschland, zieht aus, sein Glück zu machen, die Heimat blüht auf unter dem Geldregen der fernen Ehemänner. In einem Urlaub erfährt er, dass sein Ältester auf dem Markt das Handeln lernt, statt zur Schule zu gehen, so beschließt der Vater, dass alle mit nach Deutschland kommen. Der weitere Film beschäftigt sich mit den vielen seltsamen Eindrücken, und das ist von umwerfender Komik, nie lächerlich machend, mit der Mutter und die Kinder in diesem fremden Land nun konfrontiert werden. IIIhhhhh!!!!, schreit der jüngere der beiden Söhne, eine Riesenratte!, als er einen Kurzhaardackel sieht. Später übersetzt die Tochter fleißig, da sie als erste die Sprache perfekt lernt, ein viertes Kind wird geboren, ein echter „Deutscher“, der spätere Hypochonder. Nie wird diese Geschichte langweilig, nie sinkt der Spannungsbogen, am Ende sitzen die Schauspieler aller drei Generationen in dem kleinen Dorf der Eltern in der Abendsonne und picknicken, die Eltern als Großeltern begegnen denen, die sie als junge Leute gespielt haben, die Kinder begegnen sich selbst als Kinder wieder, viele gute Einfälle, hätte einen Preis verdient! Er ist einfach, nah, echt, mit Problemen, die auf der Straße liegen, die man nachfühlen kann, die einen angehen und künstlerisch gut gemacht, also überraschend, ästhetisch und neuartig meine. Meine Kriterien erfüllte der Film vollständig

Almanya, Regie: Yasemin Samdereli, mit Vedat Erincin, Fahri Yardim, Aylin Tezel, Lilay Huser, Demet Gül 

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