Bejarano & Microphone Mafia

Bejarano &Microphone Mafia in Heideruh aufgetreten, Höhepunkt des  diesjährgen Sommerfestes in der Nordheide. Esther Bejarano, 87, ihr Sohn Joram, 60, und Kutlu Yurtseven, 39. Drei Generationen in der Bejarano &microphone Mafia-Band wollen  Jugendliche ansprechen und ein Zeichen setzen. Durch HipHop.

 

Doch zunächst gibt es eine Geschichte:

 

Kutlu, gemeinsam mit Rosario Pennino (zweites Mitglied der Microphone Mafia, war in Heideruh leider nicht dabei) Mitglied der Band microphonemafia, die  er als Jugendlicher 1989 gegründet hat und deren Musik stark von den Ereignissen in Rostock, Hoyerswerda, Mölln und Solingen geprägt wurde,  ist in Köln-Flittard aufgewachsen, dort erlebte er eines Tages folgendes: 

Ich saß mit meinen zwei Kindern in der Straßenbahn, da kam eine Frau auf mich zu und fragt mich, ob das meine seien und sie zeigt auf meine Kinder. Als ich bejahe, sagt sie, das reiche dann aber auch. Ich schaue sie fragend an, sie sagt: „Viele von Ihnen wollen ja immer mehr Kinder haben!“  Ich:  „Was meinen Sie mit „Ihnen“, Kölner, Kalker?“, Darauf sie: Das können Sie sich wohl schon denken! Nein, sage ich, kann ich nicht. Tja, sagt sie, ihre Stimme zögert immerhin etwas, Ärger schwingt mit, dass sei wegen dem „Südländischen“ an ihm.

Nicht um Integration geht es, nur um Dunkelheit

So ist es also hier: Bist du dunkler als das Nazi-arische Normbild, so musst du dir von harmlosen Frauen in der Straßenbahn das Recht auf  Kinder absprechen lassen.  So werden Menschen aus dem Süden noch in dritter Generation verfolgt, nur weil sie dunkel sind. Dunkel. Nicht um Integration und anderes geht es, nur um Dunkelheit. Dunkelheit von Haut und Haaren. Es sitzt tief, dass den Deutschen implementierte rassistische Feindbild, gefährlich tief.

Dagegen singt die RAP-Band Bejarano &Microphone Mafia an: „Menschen brennen und du bist still / Menschen sterben und du bist still“.

Mit der Mafia will ich nichts zu tun haben

Seit Kutlu 2007 für ein Projekt im Rahmen der Kampagne „Schlauer statt rechts“ um eine Zusammenarbeit bei ihr anfragte, hat sich die RAP-Band microphonemafia nun mit Esther Bejarano und Joram, ihrem Sohn, zusammengetan. Als sie damals den ersten Anruf erhält, stutzt sie: “Mafia?“, mit der Mafia will ich nichts zu tun haben. Bekam sie dann aber doch, aber nur mit der Band. Eine intensive Arbeitsphase entwickelte sich und es kam zu einer  Verbindung der Widerstands-Großmutter mit den Widerstands-Enkeln um die Botschaft zu überbringen: NIE WIEDER KRIEG, ein Transparent, das in der Mitte des Konzerts jeweils von den Bandmitgliedern hinter Esther Bejarano ausgerollt wird.

Mit den Befreiern zum Tee aufgespielt

Am Samstag, 26.7.14, die Erfolgsgruppe spielt in Heideruh open air. Von da aus geht’s direkt nach Italien, die Band hat Auftrittsangebote von überall her. Sie bewegt etwas, sie erreicht Menschen aller Altersstufen. Vor diesem Konzert gibt es eine Lesung.

Esther Bejarano liest aus ihren Lebenserinnerungen die Szenen vor, wo sie nach Ausschwitz kommt bis zur Befreiung, die Lesung ist open air, aber selbst der Wald verfällt in Schweigen. Nüchterne, lakonische Schilderungen unfassbarer Geschehnisse, die das Publikum erstarren lassen. Die Lesung endet mit der Szene, wo sich amerikanische und russische Soldaten verbrüdern und sie selbst auf einem Schifferklavier mit den Befreiern auf einem Marktplatz zum Tanz aufspielt.

Kein Kriegstalent

Dann beginnt das Konzert mit dem Lied „Deserteur“ Esther liest die Texte vorher in deutsch ein: „Verehrter Präsident, das werde ich nicht machen, das wäre ja zum Lachen, ich hab kein Kriegstalent…“

Abwechselnd jiddisch-sehnsüchtig und kämpferisch-schnell

Die Machart der Band ist einzigartig, Rap und Gesang durchdringen sich wechselseitig, Synonym für Alter und Jugend in dieser Band. Nach einem Stück Gesang von Esther Bejarano wird jeweils das Hauptlied oder Teile davon in einem Rap gebracht, den bringt Kutlu Yurtseven auf die Bühne, Ganztagsorganistaor an einer Sekundarschule, der seine Schüler Gedichte von Schiller und Brecht rappen lässt, dann wieder singt Bejarano, abwechselnd jiddisch-sehnsüchtig und kämpferisch-schnell. Mit ihrer begnadeten, leicht rauchigen, aber doch hell und kraftvoll besonderen Stimme, geht ihr Gesang tief in die Seelen der Zuschauer ein. Das bringt im Zusammenklang eine besondere Spannung, die aus Gegensätzen lebt. Dem Gegensatz von weich-klingender Musik und hartem Rhythmus, dem Gegensatz von Melodie und Sprechgesang, dem Gegensatz von Musik aus einer vernichteten Epoche und lebendig-neuestem Widerstand, eine Verschränkung der Jahrhunderte.

Gegen die Offensive der Hassmusik der Nazis

Die Gegensätze beleben und inspirieren derartig, dass es dadurch gelingt, einen neuen Blick auf die Texte zu werfen, einen verjüngten Blick. Die Idee eine musikalische Alternative für die Jugend anzubieten, die eine Kraft bildet, gegen die Offensive der Hassmusik der Nazis aus den letzten Jahren, die ist einmalig umgesetzt worden. Der Inhalt der Texte ist immer konkret und bezogen auf Einzelheiten, die irgendwo passiert sind, erzählt Geschichten, in denen sich die Menschen wiederfinden, in die sie eintauchen, die sie sich vorstellen können. Die Musik der Band ist eine kreative Neuformung der Botschaft Esther Bejaranos in Verschränkung mit antirassistischen und antifaschistischen Inhalten heutiger RAP-Kunst.

Kein blinder Passagier

Kutlu: „Ich lebe hier, ich lerne hier, ich lehre hier, ich leide hier, Ich gehör hierher, bin kein blinder Passagier!“  “Seit der Kindheit erleb ich den täglichen Kulturenritt /Der Gang über die Türschwelle war für mich wie ein Grenzüberschritt/Gekonnt ist mir der Spagat zwischen Straße und Heim geglückt / Doch wurde ich schnell in die Rolle des Kanacken gedrückt. Zwei Fragen mich stets prägten: Seit wann ich hier lebe / Was dann folgte war sofort: Wann ich denn wieder gehe, ich lebe hier, ich lerne hier…“

Erheben die Stimme, lassen uns nicht verbiegen

„Wir sind das stille Wasser, was Lügendämme bricht / wir werden immer lauter, immer grauer und weiser/ holen uns die Stimmen der Stummen, die Blicke der Blinden, die Stärke der Schwachen, um unsere Angst zu überwinden / Hand in Hand wird uns vereinen, wir sind alle gleich/ ob Türke, Afrikaner, Deutscher, Amerikaner oder Italiener, wir sind alle gleich und leben Hand in Hand, für ne bessere Zukunft, mit Herz und Verstand / Vor 20 Jahren vereint ohne dessen bewusst zu sein, kämpfen wir jetzt für ein Bewusstsein, die Welt ein Drama, akzeptieren das nicht / wir lassen uns diese Welt, das Leben nicht bieten, erheben die Stimme, lassen uns nicht verbiegen / Drei Generationen, vier Menschen seelenverwandt, kämpfen für die Zukunft, mit Herz und Verstand.“

Sieh den Baum, den alle Vögel verließen

Die Art wie Kutlu rappt, ist gänzlich unprätentiös, unsentimental und schön anzuschauen. Er hat die Augen zu, gibt sich dem Rhythmus seiner Texte hin, sein Körper bewegt sich dazu, das Publikum wird von ihm angesteckt und angezogen. Seine RAP-Dichtungen sind Assoziationen zu Liedern Bejaranos, Neudichtungen, Ergänzungen: „Sieh den Baum, den alle Vögel verließen, niemand kann das Leben in Angst genießen“, dann singt Esther wieder.

Musik aus einer einzigen kleinen Bassgitarre

Es ist erstaunlich, Joram Bejarano unterlegt mit seiner kleinen Bassgitarre die gesamte Musik unter die Gruppe, sehr gekonnt. Auch arbeitet er für die Gruppe als Komponist und promotet er die Gruppe.  Ihm ist es zu verdanken, dass seine Mutter in ihrem Alter noch singt und Tourneen unternimmt, er ebnet ihr alle Wege, er hilft und hält Unangenehmes von ihr fern, er sei der Papa der Band, sie sei die Großmutter und er und sein Schulfreund, erzählt Kutlu, seien die Enkel.

Wir leben trotzdem

Am Ende nimmt der Bär von Mann, wie er gegen die 90-jährige erscheint, die kleine Frau aus dem vorigen Jahrhundert an die Hand, auf der anderen Seite Papa Joram, sie wirkt leicht zwischen ihnen, scheint zu tanzen, singt:  „Wir leben trotzdem, brennt auch die Welt… wir werden leben und erleben, schlechte Zeiten überleben / Wir leben trotzdem, wir sind da!“  Die kleine, weißhaarige Frau mit der großen Stimme erscheint winzig gegen die beiden Männer neben ihr, drei Generationen in einer neuen Zeit. Esther Bejarano, ein Krümel, und doch große Kraft und Aufmüpfigkeit sind in ihr lebendig. Es strahlt von ihr ins Publikum ab, wir sind da, ihr kriegt uns nicht klein, sie erhebt ihre Faust. Das Publikum jubelt.

Tournee hier:

August
16.08 Lüneburg
30.08 Bilefeld
September
01.09 Leverkusen
03.09. Lütjenburg vormittags Schule
03.09. Lütjenburg abends
06.09. Siegen
13.09. Darmstadt
14.09. Bonn
26.09 Heilbronn
27.09 Schorndorf
Oktober
02.10. San Remo
08.10. Reutlingen
10.10. Gaggenau
17.10. Grevesmühlen vormittags Schule
17:10. Boltenhagen abends
23.10. Kleve
24.10 Lennestadt
25.10. Padderborn
31.10 Rosenheim
November
06.11 Hamburg
07.11 Essen
08.11 Bocholt
10.10. Lünen
14.11 Aschersleben
16.11. Bremen
21.11 Wiesbaden
22.11. Eckental/Erlangen
27.11 Berlin

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