Ausstellung im Fährhaus Caputh am 27.4.08

Als ich, angeregt von Skulpturen Hilke Vierckeiner Freundin, Anfang April einen Wochenendausflug ins Fährhaus Caputh unternahm und nach dem von ihr hochgelobten Pflaumenkuchen schließlich auch in die Hofgalerie ging, wo, nach ihren Worten, „einige Ausstellungsstücke ihrer Künstlergruppe“ präsentiert seien, erlebte ich eine Überraschung. Den drei Mitgliedern der Künstlergruppe Hagelbergerstraße, Maja Smoltcyk (Skulpturen), Michael Weiss (Malerei/Skulpturen) und Hilke Vierck (Skulpturen) ist es gelungen ein  Gemeinschaftswerk zu schaffen, was man so noch nicht gesehen hat. Moderne Kunst einmal nicht unkenntlich, unverständlich und langweilig. Moderne Kunst als eine lebendige Kunst, die bescheiden daherkommt und doch eine große Wirkung hat. Die auf dem Tisch im Zentrum gruppierten dreißig mittelgroßen, dunklen Ton- und Bronze-Skulpturen bilden eine lebendige Menschenansammlung, deren Formenreichtum frappiert. Es sind heutige Menschen, verschieden in Haltung, Gestik, Mimik und wie mitten in der Bewegung angehalten und doch verbunden in Formgebung und Gestaltung.

Die Figuren scheinen sich vor einem Feuer zu bewegen

Sie scheinen zu warten, sich auszuruhen, sie haben keine Eile. Es sind schöne Menschen, zur Ruhe gekommene, auch miteinander in Kontakt stehende, heutige Menschen, die nicht allein sind, sondern eine kleine Gemeinschaft bilden auf diesem Tisch. Hinter ihnen, an der alten, gemauerten Wand, bilden die drei übergroßen Gemälde des Michael Weiss, wie in einem Tryptichon angeordnet, wie in einer Kirche, einen Hintergrund zu den auf dem Tisch sitzenden und liegenden Menschen. Es ist, als beschirme und beschütze er diese. Der Eindruck von Lebendigkeit und Bewegung wird durch die Bilder vertieft. In den drei  Gemälden scheinen links Bäume, rechts Häuser von Kälte und Zerstörung bedroht zu sein, in der Mitte aber wird durch ein von unten aufkommendes loderndes Feuer Wut, Schmerz und Leidenschaft dagegen gesetzt. So entsteht der Eindruck von Hoffnung und Wärme. Die Figuren sitzen, stehen und liegen, und scheinen sich alle vor diesem Feuer zu bewegen und je mehr man sich in das Bild vertieft, (im wahrsten Sinne des Wortes), um so leuchtender erscheint das Feuer und um so gewaltiger erscheint die Spannung zwischen den Figuren und diesem Feuer. Immer deutlicher erscheint eine Verbundenheit dieser Menschen miteinander und mit der Materie sich auszudrücken.

Zum Gegenpol der Gewalt

Trotz Tod und Zerstörung, trotz Steinen und Kälte: Der Mensch im Zentrum von Wärme und Licht wird zum Gegenpol gegen die Gewalt, die um ihn herum ist und symbolisiert Hoffnung, den Ausblick auf die Zukunft und das Leben. Die Schöpfer dieses Gesamtkunstwerkes, das man nicht auseinander reißen möchte durch das Entfernen auch nur einer einzigen Figur, sind zusammengewachsen durch das gemeinsame Arbeiten in der Hagelbergerstraße, wo sie seit Jahren erfolgreich zusammenarbeiten. Sie haben schon an einigen Ausstellungen mitgewirkt, haben bereits Preise gewonnen, ihre Kunstwerke leben und das ist selten heutzutage. In den Kunsthochschulen ist heute die Zeit des Einzelkünstlers. Aber wo dieser zum Self-made-Manager und somit Spiegel seiner Eigennützigkeit wird, verliert sich oft die Kunst und langweilt. Bei diesen Künstlern hat man den Eindruck des Gegenteils. Wie einst bei  Künstlergemeinschaften, wie der Brücke, scheinen sie angetreten, um Wirklichkeit zu gestalten. Es geht wieder um eine Botschaft, eine Aussage.

Der nackte Mensch als verletztliches Wesen

Das ist etwas Neues in der modernen Kunst und auch die Art der Botschaft ist neu, einmal nicht Verzerrung, Zerstörung, Ästhetisierung von Gewalt  –  stattdessen der nackte Mensch als einzelner, weicher, verletzlicher Gegenpol. Und in diesem Falle ist das Schwache in seiner Vielzahl stark, ist das Schwache in seiner Vielfalt groß. Es tritt dem Starken gegenüber, ihmentgegen. Und so ging ich dann im noch kalten April verzaubert und erstaunt immer wieder um den Tisch herum, schaute mir die Menschenfiguren an, besah sie von unten, von der Seite, von hinten, von vorn, streichelte sie beinahe mit meinen Blicken, tastete sie ab, sah sie mal als Einzelne, mal als Gruppe an, fühlte mich angeschaut von ihnen, kam ihnen nah und entfernte mich wieder von ihnen, aber immer sah ich sie vor dem Feuer sitzen und konnte mich nicht  satt daran sehen.  „Ich will nicht gelangweilt werden!“ fasste einmal Kurt Tucholsky seine Auffassung zur Kunst in einem Satz zusammen. Diese Gefahr besteht hier sicher nicht. Ich hoffe, dass diese engagierte Kunst noch viel mehr Anhänger findet.

Künstlergruppe Hagelbergerstraße, Kontakt über:  Hilke4ck@gmx.de

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