Ein Käfig ging einen Vogel suchen – Rezension

Andreas Kriegenburg, bekannt aus den Münchner Kammerspielen (Der Prozess) hat sich nun fürs Deutsche Theater Kafkas kleinere Aphorismen und Textsequenzen vorgenommen, er hat sie miteinander verwoben rund um die Geschichten „Der Bau“ und „Blumfeld ein älterer Junggeselle“ und hat sie mit einem äußerst originellen Bühnenbild versehen.

Dazu hat er aus Blumfeld, dem älteren Junggesellen, fünf gleich angezogene und mit einer erstaunt blickenden Kafka-Maske versehene Herren K. gemacht, die in die übereinander getürmten, ineinander stürzenden und seitlich schräg abfallenden  Zimmer hinaufsteigen, wie in das Gerichtsgebäude einer nie endenden Behörde.

Immer in Abwechslung kleine Prosatexte

Dort angekommen, macht jeder der Blumfelds (köstlich mit eingezogenen Schultern, grauem Anzug und unter den Arm geklemmter Aktentasche) ängstliche Gesten des Umschauens, des Kontrollwahns und der Langeweile, versetzt mit Übersprungshandlungen (Staub putzen, Sachen von A nach B räumen). Dazu sprechen sie, immer in Abwechslung,  die kleine Prosatexte Kafkas. Das ist originell und sehr witzig. Erholsam auch, dass die Masche, eine Person mehrfach auftreten zu lassen, nicht dazu führt, dass sie den gesamten Text im Chor deklamieren und ins Publikum schreien. Erholsam, dass ihre Bewegungen sich voneinander unterscheiden, wie auch ihre Sätze, die sie nacheinander, selten gemeinsam zu sprechen haben.

Einsamkeit, Isolation, Rückzug

Verhandelt wird das Thema Einsamkeit, Isolation, Rückzug. Es geht um das Drama des modernen Menschen, sein bienenhaftes und mäuseartiges Dasein, das nur Rädchen im großen Getriebe ist und nie selbstbestimmt sein darf.  Die Kafkaesken Männer in ihren herabstürzenden Zimmern ihrer bienenwabenartigen Einsamkeit sind aber auch auf irgendeiner Flucht und in irgendeiner wachsenden Furcht. Es ist die Furcht und die Angst vor dem Kriege, vor dem Verlust all dessen, was ihnen ihr Sicherheitskorsett bildet,  und die Flucht davor wird in absurden und unsinnigen Handlungen vollzogen.

Ein Zwillingspaar in rosa Kleidchen stilisert

Es kommen Frauen hinzu und Kinder. Eine Frau (recht kalt angelegt: Nele Rosetz) gibt die Erzählerin, sie scheint die Herren Blumfeld/K. zu beobachten und zu begleiten, ohne dass diese sie wahrnehmen, dann kommt ein Kind dazu (hier als Zwillingspaar in rosa Kleidchen stilisiert, das Publikum rätselt, ob es sich um echte Zwillinge und tatsächlich Kinder handelt, oder ob die Schauspielerinnen nur beide etwas kleinwüchsig sind), die Kraft dieser Figuren scheinen sich direkt aus dem Unbewussten herzuleiten, das die Herren Blumfeld vergeblich versuchen unter Kontrolle und unter Zwängen zu verbergen.

Alles ineinander gestrickt

Die Texte Kafkas sind dabei sprachmächtig und rätselhaft und werden es noch mehr in dem Stück, wo Anfang und Ende der einen Geschichte mit der nächsten verwischt und alles ineinander gestrickt, zu einem Ganzen verwoben wird. Aber so wie eine irische Volksmelodie, die sich in endlosen Wiederholungsschleifen ergießt, ist dieses reine Prosa-Sprechstück klangmäßig leider zu gleichförmig angelegt gewesen, es ist einfach zu lange in immer ein und derselben Geschwindigkeit, ( recht schnell), in ein und derselben Tonlage,( leicht ärgerlich), in inhaltlich einander stark ähnelnden Sequenzen (die um Einsamkeit kreisten) komponiert worden und fällt dann oder dadurch spannungsmäßig im Laufe der Darbietung ab. Die starken Texte, das starke Bühnenbild, die starken Figurenkompositionen verlieren an Kraft. Es passiert, dass die darstellerische Darbietung in Witz und fast Slapstick ausartet und die großartigen Texte nicht mehr hängen bleiben. Schade. Ich frage mich immer, es gibt so viel Theaterliteratur, warum wird neuerdings immer Prosa dramatisiert?  Merke: Nicht jeder Regisseur ist ein Dichter!

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