Euope, mon amour – Rezension

Das erste Stück des jungen Regisseurs Daniel Pfluger heißt »Europe mon amour«. Es wird zur Zeit in Berlin an der Neuköllner Oper gespielt. Pfluger hat sich zum Ziel gesetzt, die Mühen und die Kraft der oft noch sehr jungen Menschen, die nach Europa einwandern wollen, auf die Musiktheaterbühne zu bringen.

Sein Stück nennt sich bescheiden »Montage«, weil es aus Interviewpassagen zusammengestellt wurde. In Wahrheit ist es reine Poesie, verbunden mit politisch-aufrüttelnder Gestaltung. Die Musik wird ebenfalls montiert, überspringt die Genres, die Länder, die Epochen.

Großartiges gelungen

Dem Team mit Hub Hildenbrand (musikalische Leitung), Andrea Nolte ( Bühne und Kostüm), sowie Bernhard Glocksin, (Dramaturgie), sowie den beiden Schauspielern Atina Tabiel Razligh und Gerald Michel ist hier Großartiges gelungen. Und das auf der kleinen Bühne der Neuköllner Oper, wo die Schauspieler wie in einem schmalen Schlauch, rechts an der Wand, agieren, während die Zuschauer ihnen gegenüber, an den linken Rand gedrängt sitzen und dadurch eine dichte, Atmosphäre entsteht.

Einen ins Wasser geworfenen Brief

Die Bühne ist mit rätselhaften Dingen vollgestopft. Auf Wäscheleinen hängen Kleidungsstücke, kleine Zettel, Uhren, Armbänder, Spielsachen. Anhand der Gegenstände werden Erzählungen entwickelt, sie werden gleichsam aus dem Meer gefischt. Das ganze Drama des europäischen Frontex-Wahnsinns an den Rändern Europas wird hier verhandelt, die Inszenierung schafft es mit winzigen Gesten und Hinweisen – hier auf eine vom Touristenkind gefundene Sandale, da auf einen ins Wasser geworfenen Brief einer Mutter an ihren Sohn – die Zuschauer unsentimental in Bann zu ziehen, um bei ihnen Verständnis und Einsicht in die politisch gewollten Gewaltzustände, aber auch ihrer Gegenkräfte hervorzurufen. Dabei werden Mittel des Tanzes, der Musik und des Schauspiels sparsam und punktgenau eingesetzt.

Am Ende hast du nichts mehr bei dir

Ein Mann schildert seine Flucht aus Lagos. Fünfmal denselben Weg: »Auf den Dächern der überladenen LKW wird dir bewußt, daß du illegal geworden bist, du verlierst einen Teil deiner selbst, du wirfst deinen Ausweis weg, du wirfst deine Telefonnummern, deine Bilder, deine Schlüssel weg, am Ende hast du nichts mehr bei dir, was noch mit dir zu tun hat, riesig wird die Wand zwischen dir und deinem Ziel…« Am Ende gibt es einen wütenden Gesang: »Komm, laß uns das Meer verbrennen!

Nächste Vorstellungen: 13.5., 17.5., 27.5. jeweils 20 Uhr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert