Kultur und Schule in der Neuköllner Oper – Theaterstück und Diskussions-Veranstaltung

19.04.2012 / jw-Feuilleton / Seite 12

Wie steht es in Berlin um das Theater in Schulen? Darüber diskutierte am Dienstag abend ein Podium in der Neuköllner Oper.

Vorher zeigten Teenager der Lilienthal-Oberschule im Stadtteil Steglitz das Stück »Kunststücke«, mit dem sie in diesem Jahr das TuSch-Festival (für »Theater und Schule«) gewannen. 30 Produktionen wurden dort aufgeführt, alle in Zusammenarbeit mit Theatern entwickelt, im Fall der Gewinner war es die Neuköllner Oper. Diese Aktivitäten werden von der Senatsverwaltung mit jährlich 2000 Euro pro beteiligter Schule gefördert – etwas zu wenig, wie nach der Aufführung beklagt wurde.

Oh, wie kraftvoll diese Streifen!

Das präsentierte Ergebnis kann sich trotzdem sehen lassen: Zu Beginn von »Kunststücke« werden Gemälde aus Museen eingeblendet; Schüler stehen gelangweilt oder bemüht interessiert davor. Dann bleibt eine junge Frau allein auf der Bühne: »Da hängt da so ein Bild, schwarz mit roten Streifen, steht daneben so eine Gruppe: ›Oh wie kraftvoll, dieser Streifen!‹« Sie geht in die Knie, gestikuliert, spielt die vorgeblichen Emotionen, karikiert köstlich die Schönrednerei von Museumsbesuchern, die keine Ahnung haben, aber so tun, als hätten sie eine. Kopfschüttelnd geht sie ab. Als nächstes streitet sich ein Liebespaar – sie gelb, er blau – vor einem Mondrian. Die Bildelemente greifen ein, sehr schön der »Tanz der schwarzen Stangen«, die zwischen die beiden drängen, zu Waffen werden, zu Balken, Speeren, einem Zaun. Hinter dem werden Rot und Grün von Gelb und Blau gerettet, die sich wieder versöhnen – eine assoziative Annäherung. Und so geht es weiter mit einem Renaissance-Bild. Eine Frau liest im nachempfundenen Faltenkostüm einen altmodischen Liebesbrief, will Gift nehmen, flieht vor ihrem Liebhaber. Kragen, wie man sie damals trug, tanzen miteinander. Alles einfallsreich und spannend, am Ende ist belegt, daß man Kunst – moderne wie alte – desto besser versteht, je mehr man sie handelnd durchdringt.

Immer etwas Neues, so ist keine Nachhaltigkeit möglich

In der Diskussion mit TuSch-Gründerin Renate Breitig und anderen ging es dann um die Mühen der Ebene. Projekte werden maximal für drei Jahre gefördert. Nach dieser Frist muß man sich auch für Bewährtes etwas Neues einfallen lassen. Angelika Tischer von der Senatsverwaltung für kulturelle Bildung legte ausführlich dar, daß die Rahmenpläne für Lehrer heute am Kompetenzmodell orientiert seien, deshalb viel Spielraum für Eigenes ließen und Theaterprojekte von Lehrern durchaus in den alltäglichen Unterricht integriert werden könnten. Dies erwiderte sie auf die Schilderungen von Georg Krapp, Direktor des Albert-Schweitzer-Gymnasiums, an dem die Schüler fast nur aus Einwandererfamilien stammen. Krapp hatte berichtet, daß die Lehrer oft überfordert seien von bürokratischen und anderen Auflagen, weshalb für die Vermittlung von Kultur neben dem Geld auch die Zeit fehle.

Allein sieben Projekte in der Neuköllner Oper

Deutlich wurde, daß viel passiert ist in den letzten 20 Jahren. Vieles wurde angeschoben, von Initiativen und Künstlern, allein sieben neue Projekte in Zusammenarbeit mit der Neuköllner Oper wurden am Dienstag vorgestellt. Solange der Senat allerdings Unsummen für Flughafenwerbung herauswirft und Schultheaterprojektleitende mit ein paar hundert Euro abgespeist werden, solange ist das Vorankommen einer nichtelitären »Kultur für alle« vor allem einem idealistischen Künstlerprekariat zu verdanken, das sich gerade mal so eben über Wasser hält.

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