Aus der Zeit fallen – Rezension

                                                                                         Feinfühlig geschrieben ist der neue Roman von David Grossman, in dem er eine persönliche Katastrophe, den Tod seines einzigen Sohnes, detailliert beschreibt und damit Trauer um einen engen Angehörigen auf besondere Weise nachfühlbar macht:

»Aus der Zeit fallen« wurde am 13.Dezember in einer Dramatisierung im Deutschen Theater Berlin uraufgeführt, ein Wagnis, denn der Stoff sperrt sich gegen eine Dramatisierung.

Die Aufführung beginnt mit kleinen Lichtern, Kerzen, die auf eine völlig schwarze Bühne schweben und dann langsam, wie Sterne, nach oben gezogen werden. Danach werden gläserne Boxen herabgelassen, gefüllt mit schwarzer Plastikasche, in die die Hauptpersonen des Stückes nacheinander einsteigen und halbhoch gezogen werden. Unten eine Frau und ein Mann, an getrennten Tischen sitzend, eine Suppe löffelnd. Die Anfangssätze des Buches: »Ich gehe.« »Wohin?« »Nach dort!« Fünf Jahre nach dem Tod ihres einzigen Sohnes sind die trauernden Eltern verstummt.

Der Mann geht raus und sucht andere, und er findet welche, denen es ebenso geht wie ihm. In einem, der verwahrlost in einer Ecke kauert und Zahlenreihen an Wände kritzelt, erkennt er seinen alten Lehrer, der am letzten festhält, was er noch hat, seinen alten Beruf. Er sieht die über und über mit Schmutz bedeckte Frau, die sich jede Nacht am Hafen in Seile wickelt, beide haben Kinder verloren und leben in den Erinnerungen, mit denen die Toten sie festhalten. Langsam nimmt er die anderen mit auf seinen Weg.

Die Wände des hohen Bühnenraums sehen aus, als seien sie mit schwarzem herabfließendem Teer bedeckt, dick, schwer, undurchlässig, schmerzhaft heiß, wenn man ihn auf die Haut bekäme. Die Trauer wird oft auch mit schwarzem Plastikband symbolisiert, zerschnitten, wie Asche, um die Figuren gewickelt wie Fesseln.

Der Bühnenbildnerin (Olga Ventosa Quintana) ist zusammen mit der Regie (Andreas Kriegenburg) und den Spielern Großartiges gelungen: Grossmans Psychogramme eins zu eins auf die Bühne zu bringen, seine Sprachsymbolik umzusetzen in wunderbar passende Bilder und Szenensequenzen. Grossmans bildhafte Worte werden von den Figuren lose in den Raum gesprochen: »Man kann den Tod im Mund halten wie einen Bonbon aus Gift.«

Das Stück spürt dem Weiterleben der Gestorbenen in den Trauernden nach und deckt dabei auf, was Verrücktheit sein könnte: ein Aus-der-Zeit-gefallen-Sein. Leider, leider, ist das Stück in dieser ersten Fassung eine Spur zu lang geraten. Trotzdem ist der Besuch empfehlenswert.

Nächste Aufführung: 29.12.13

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