Weiberrevue XXL im RambaZamba-Theater
Die zum „No limits-Festival“ ( 10. Bis 20.11.11: 200 behinderte und nichtbehinderte Künstler aus ganz Europa) neu aufgelegte Premiere: „Weiberrevue XXL“ zeigt eine Nele Winkler, die wild auf die Bühne stürmt, und dort ein Cello küsst, dazu ruft: “Ich liebe Dich!“
Danach beginnt sie herzerweichend zu spielen. Sie braucht dazu keine Griffe und Noten, sie macht die Musik nur mit dem Bogen und improvisiert. Dann richtet sie sich auf, spricht ins Publikum: „Ich träume ein Frau sein!“ Die Bühne dunkel, in rot getaucht, überall die Frauen des Ensembles in sehr weiblich gemachten Kostümen im Hintergrund, rechts Schlagzeug, Percussioninstrumente, Klavier, die Musiker, alle spielen, die Musik klingt modern, Schönberg sehr ähnlich. Der Schauspieler Moritz tritt im tiefblauen Flatterkostüm auf, auch alle Jungen tragen „weibliche“ Kostüme, farbig, phantasievoll ausgestaltet, diese werden im Atelier „Sonnenuhr“, gemeinsam mit den Schauspielern hergestellt. Moritz geht zu einem auf dem Boden liegenden Waschbrett, geht mit einem Stock kräftig darüber hinweg, ein lauter Ton, ein weiterer und alle Frauen bewegen sich wie Puppen auf der Bühne. „Nein!“, schreit Nele, „nicht wie Puppe“, „ich will wilde Frau sein!“
Sichtbar gewachsenes Selbstbewusstsein
Dieser Weg wird nun neu gestaltet, gegen die Anwesenheit der Männer verteidigt, einzigartig die Szene, in der die Männer des Ensembles, die immer mal zwischendurch kurz auf die Bühne drängen, mit einer wortlosen Geste der Hand der Julia Götze, die wie eine Königin wirkt, von der Bühne gewiesen werden. Wie überhaupt gut gelungen ist, den Frauen während des Spielens ein sichtbar gewachsenes Selbstbewusstsein zu geben.
Hier werden Menschen mit Besonderheiten dadurch gewürdigt, dass man ihnen Raum gibt
Das RambaZambaTheater macht Theater mit und für geistig behinderte und nichtbehinderte Menschen, es geht dabei inclusiv, die behinderten Menschen ein- nicht ausschließend vor, sie nehmen die behinderten Menschen an, akzeptieren sie als gleichwertige Erwachsene und entwickeln auch die Themen und Szenen mit den behinderten Menschen gemeinsam. Ein Besuch lohnt sich. Hier werden Menschen mit Besonderheiten dadurch gewürdigt, dass man ihnen Raum gibt, sich selbst darzustellen, so wie sie es wollen und mit den Mitteln, die sie tänzerisch, pantomimisch, und künstlerisch gemeinsam mit anderen erarbeitet haben. Behinderte werden hier nicht „vorgeführt“, keine artige Märchendarstellungen von Hänsel und Gretel im Pfefferkuchenhaus oder Zurechtweisungen kindlicher Überschwenglichkeit, wie in Max und Moritz, die für ihre Unarten in den Backofen geschoben und durch eine Mühle gemahlen werden, nein, diese Ideen jahrhundertelanger repressiver Erziehungsvorstellungen werden ad acta gelegt, diese Grenzen werden gesprengt.
Zum Beispiel, wenn die Schauspielerinnen als „wilde Frauen“ einfach mal quer über den Tisch spucken, sie sind nicht brav, sie sind aufmüpfig und dürfen das auch sein. Sie lassen sich nicht mehr alles gefallen, das häufigste Wort ist „Nein“, sie nicken nicht mehr ab, sie lernen auf ihr Nein-Gefühl zu achten. Gefühle, Wünsche und Visionen der Protagonisten werden eingearbeitet.
Man hat sie eingesperrt, man hat sie geschlagen und beschimpft
Jahrhundertelang hat man geistig und emotional, bewegungstechnisch und sprachlich anders sich gebende und anders wirkende Menschen aus der genormten Welt ausgeschlossen, man hat sie ihren Eltern weggenommen, man hat sie eingesperrt, man hat sie zu Hunderttausenden eiskalt ermordet, man hat sie vergast, lange bevor man dies mit Nichtbehinderten wagte, man hat sie geschlagen und beschimpft, man hat sie emotional und real verhungern lassen , man hat ihre Arbeitskraft ausgebeutet um riesige „Anstalten“ aufzubauen, mit denen sich große Pädagogen in die Geschichte eingeschrieben haben, man hat sie entmündigt und in Pflegschaft gegeben, wo ein Rechtsanwalt dann bis zu 250 Mündel betreut und sich nie wirklich kümmern kann. Man macht vieles davon heute noch. Erst seit den 80-iger Jahren wandelt sich das Verständnis langsam. Der spanische Film „Me too“ macht das sichtbar (Synchronisiert von Schauspielern des RambaZamba-Ensembles). Dort verliebt sich ein Mensch mit dem Morbus-Down-Syndrom in eine nicht geistig behinderte Frau, er selbst übertrifft sie aber an Bildung, denn er hat Sonderpädagogik studiert. Weil seine Mutter mit ihm geübt hat. Weil er nie aus seiner Familie ausgeschlossen wurde. Trotzdem ist er in seinem ganzen Verhalten ein typischer Mensch mit Down-Syndrom. Wir, die wir das alles, über Jahrhunderte den Behinderten angetan haben, werden uns umstellen müssen, eine neue Gruppe von Menschen hat sich aus jahrhundertelanger Unterdrückung erhoben und beansprucht ihre ungeteilten Menschenrechte.
Das RambaZambaTheater, aufgebaut von Gisela Höhne (Regisseurin), die von ihrem Sohn Moritz gelernt hat, wie man mit behinderten Menschen umgeht, geht einen revolutionären Weg, der weit in die Zukunft hinein weist. Unbedingt hingehen! Es gibt auch viele andere tolle Produktionen, dazu wechselnde Kunstausstellungen des hauseigenen Ateliers „Sonnenuhr“ e.V.