Baba – Oder mein geraubtes Leben – Im Heimathafen Neukölln – Rezension
Im Berliner Heimathafen Neukölln wird das Gerede vom »Migrationshintergrund« weiter satirisch bearbeitet. Nach den Kassenschlagern »Arabboy« und »Arabqueen« gibt es nun »Baba oder mein geraubtes Leben« – es ist der dritte Teil einer »Neukölln-Trilogie«.
Wieder geht es um international vernetzte Familien und deren Probleme. In diesem Fall ist es schon eine Verstrickung des Protagonisten Sinan. »Geboren in Bagdad. Aufgewachsen bei der Mutter in Darmstadt. Gestrandet in einer WG in Neukölln. Sinan ist irakisch-hessischer Neu-Berliner«. Das ist das Setting. Sinan wird jetzt Vater, da will er einiges klären, was ihm bislang nicht so wichtig war. Er hat eine deutsche Mutter und eine arabische, die ihn geboren und weggegeben hat. Und natürlich einen Vater.
Fremde eigene Verwandtschaft in Dubai
Sinan trifft den arabischen Teil seiner Familie in Dubai. Sinan wird als naher Verwandter behandelt, doch er ist innerlich weit entfernt von diesen Menschen. Seine eigene Verwandtschaft ist ihm fremd. Eine tragische Geschichte, die komisch erzählt wird. Der Untertitel lautet: »Mein geraubtes Leben, die wahre Geschichte eines Mitschauspielers«, denn Sinan Al-Kuri ist Teil der Theatergruppe, die hier ohne ihn spielt. Sein Ausflug nach Dubai wurde bereits in einem Dokumentarfilm (»Mein Vater. Mein Onkel.«, BRD 2009) verhandelt. Im Stück hat Burak Yigit seine Rolle übernommen: Er gibt ihn linkisch, weich und schlaksig. Das paßt gut zur Geschichte. Das Stück entstand sukzessive während der Proben. Regie hat Nicole Oder geführt, Dramaturgin war Stefanie Aehnelt.
Die irakische Mutter flucht auf die Islamisierung
Das Machotum von Sinans arabischen Brüdern wird hier von Frauen in Männerrollen karikiert. Die Erosion der Emanzipation der arabischen Frau seit den 70er Jahren wird pantomimisch angedeutet. Sinans irakische Mutter (Die frühere: Sascha Ö. Soydan) war einmal eine Englischlehrerin im Minirock, flucht auf die Islamisierung in den 80er Jahren und legt nur widerwillig den Schleier an. Als sie dann drei Jahrzehnte später ihren Sohn begrüßt, wirkt sie unselbständig und eingeschüchtert. Eine Englischlehrerin, die kein Englisch mehr spricht. Und was macht Sinan? Er schämt sich, weil er eine deutsche Mutter hat. Gleichzeitig wird ihm aber auch bewusst, dass nur sie seine Mutter ist, da sie ihn aufzog.
Weil er so “ausländisch” aussieht
In Deutschland arbeitet Sinan in der Altenpflege, verdient sich das Geld für sein Schauspielstudium. Er hat mit einer Frau zu tun, die an Alzheimer erkrankt ist und öfter vor ihm erschrickt, weil er so »ausländisch« aussieht, denn wenn sie sich noch an etwas erinnert, dann sind es die Ressentiments. Inka Löwendorf, Gründungsmitglied des Heimathafen-Theaters und manchen aus der Volksbühne bekannt, spielt diese verwirrte Patientin wunderbar echt und komisch. Die alte Dame mag Sinan und vergisst wieder, dass für sie eigentlich ein “Ausländer” ist. Und der Zuschauer merkt nicht, dass Löwendorf auch die deutsche Mutter von Sinan, die WG-Mitbewohnerin, und die später echte Mutter spielt. Ihre Wandlungsfähigkeiten in Mimik, Gestik und Ausdruck sind phänomenal, große Kunst. Alle Schauspieler sind sehr gut. Das Stück erkenntnisfördernd.