jw/Feuilleton/20.1.15 Wenn denn der Kapitalismus und nicht der Kommunismus, das Schicksal der Menschheit sei, dann bedeute das für die Privilegierten die bequemste Form des ökologischen Selbstmords, wird im Berliner Maxim Gorki ein Heiner-Müller-Zitat von 1993 verwendet, um ein berühmtes Heiner-Müller-Stück von 1972 aufzuführen. Sebastian Baumgarten inszeniert »Zement«. Im Programmzettel findet sich die These, Zement sei eine große Tragödie über den
„Der Idiot“ im Hamburger Schauspielhaus, in der Regie von Karin Henkel ist mit Lina Beckmann in der Rolle des geschlechtslosen Fürst Myschkin eine überaus gelungene Inszenierung. Sie lebt durch ihre Hauptperson, die in ihrer Körpersprache die Dostojewski´schen Beschreibungen des Myschkin´schen Sonderlings minutiös nachempfunden und preisverdächtig ausgedrückt hat. Einen 800-Seiten-Roman auf die Bühne zu bringen braucht dramaturgisches Geschick und Nachdichtung, daher
Wie schaffen es die Belgischen Dardenne-Brüder (Rosetta, Der Sohn, Lornas Schweigen) in ihren Filmen blos, in solch vielschichtige psychologische Tiefen zu gelangen, und damit am Ende doch etwas Politisch Wichtiges auszusagen ohne auch nur im Mindesten agitatorisch zu wirken? Zwei Tage, eine Nacht” ist das neueste Stück in ihrem gemeinsamen Werk. Die Filme sind wie gute Literatur, sie erzählen jeweils
1.12.14 / jw Feuilleton Das Berliner »Gefängnistheater aufBruch« hat sich eines weiteren Klassikers der Moderne angenommen, nämlich des »sozialen Dramas«, mit dem Gerhart Hauptmann bekannt wurde: »Vor Sonnenaufgang« von 1889. Das Stück spielt in einer neureichen Familie ehemaliger Mittelbauern, die ihr Land wegen ergiebiger Kohlevorkommen für viel Geld verkauft hat. Zehn Jahre später kommt Alfred Loth ins »Goldene Tal« gereist,
Supergute Tage oder die sonderbare Welt des Christopher Boone, nach einem Roman von Mark Haddons: Hatte am 7.11. Premiere im Grips-Theater. Das Stück „Supergute Tage“ in der Regie von Barbara Hauck ist ein Erwachsenenstück, ab Jugendalter. Wie die meisten Grips-Stücke kennt es altersmäßig nur eine Unter- aber keine Obergrenze. Beeindruckend ist die Sensibilität seiner Figurenzeichnung und die Abstraktion von Dramatisierung
Thomas Ahrens spielte schon in den 70er Jahren im Grips-Theater. Mit blondem Schopf, Stupsnase und kindlichem Lachen gab er den Typ Jungen, der nie zu altern scheint. Heute wohnt der 62jährige im Oderbruch und zieht mit einem Ein-Mann-Stück über die Dörfer wie in früheren Zeiten die Kasperletheater. Sein Stück erinnert an »Pettersson und Findus«, nur dass der Gefährte des Alten
7.10.14, jw-feuilleton Nicht der Wirklichkeit, der Wahrheit nachgehen – Ulrike Meinhof (in: Bambule, Berlin 1971, S. 97) Viele junge Leute wissen nicht mehr, dass Ulrike Meinhof bis 1970 als Journalistin eine große Breitenwirkung im gesamten deutschsprachigen Raum entfaltet hatte. Ihre Texte wurden von vielen Menschen gelesen, das Spektrum ihrer Leserschaft ging vom wertkonservativen, christlichen Intellektuellen bis zum subproletarischen Jugendlichen. Kaum
Im Rostocker Theater beginnt eine neue Zeitrechnung: Sewan Latchinian. Das Volkstheater war aufgegeben, das Haus am Stadthafen zugemacht, Spartenkürzungen sollten diese Woche greifen, Musik sollte wegfallen, Latchinian aber kämpft. Darin hat er Übung. Er hat schon vor Jahren die Alternative Karriere oder Provinz in Richtung der Provinz entschieden und trotzdem Karriere gemacht. So hat er Senftenberg übereuropäisch bekannt gemacht. In
jw / feuilleton/ 10.9.14 Das kleine mecklenburgische Dorf Mestlin ist deutlich zweigeteilt. Es gibt den historischen Kern um eine Kirche aus Feld- und Backsteinen (13./14. Jahrhundert). Südwestlich davon wurde in den 1950er Jahren ein sozialistisches Musterdorf gebaut. An einem zentralen Platz wurden Schule, Poliklinik, zweigeschossige Wohnhäuser und ein Kulturhaus errichtet. Letzteres als monumentaler Gegenentwurf zum Gotteshaus. Zeitweise kamen mehr als
Viel wird heute über das Buch und sein Verschwinden debattiert, aber etwas anderes ist schon lange verschwunden und soll jetzt wiederbelebt werden: Das Erzählen. Manche kennen es als besonders schöne Kindheitserinnerung, in alten Büchern liest man davon, dass Großeltern oder Mütter einem Kind zum Schlafen eine Geschichte erzählen. Dabei denken sie sich etwas unmittelbar aus und entwickeln es je nach