Casting Clara in der Neuköllner Oper – Rezension

Pünktlich zum Geburtstag von Clara Wiek, verheiratete Schumann, dem bedeutendsten Wunderkind und Star des 19. Jahrhunderts, gab es in der Neuköllner Oper eine Happy Birthday-Clara -Veranstaltung, ihr zu Ehren. 

Nach dem Musiktheaterstück: Casting Clara, einer wunderbar gelungenen Aufführung, fand dann noch eine Podiumsdiskussion über Gleichberechtigungsfragen statt.

Auf dem Podium wurde die Frauenrealität einmal kurzzeitig umgedreht, denn von den 11 Menschen des Podiums, und den zwei Frauen der Moderation, Wiebke Roloff und Ilka Seifert, war einer auch ein Mann. (Dietmar Schwarz, Intendant Deutsche Oper).

Für den war die Situation so neu, dass er mit einem zwischen Unsicherheit und Koketterie schwankendem Umsichblicken mehrmals hilflos kommentierte, dass er ja nun der einzige Mann sei, woraufhin der halbe Saal ins Lachen kam, was sehr amüsant war und auch dem Mann klarmachte, in welchen Situationen sich Frauen in den Chefetagen des Kunstgewerbes sozusagen immer durchkämpfen müssen. 

Frauen in den Führungsetagen selten

Über die Ungleichgewichtigkeit der Verteilung von Frauen in Musiktheatern der Stadt wurden vom Podium Zahlen genannt und Fakten beschrieben. Frauen in den  Führungsetagen des reichen Operngewerbes könne man mit der Lupe suchen, das fand auch der Mann von der Deutschen Oper traurig. 

Es wurde diskutiert und es wurden Lösungen vorgestellt, Modelllösungen selbstverständlich, denn Modelle bräuchte es, war die einhellige Meinung, so wie auf dem Theatertreffen Berlin, wo die Leiterin, Frau Yvonne Büdenhölzer, für zwei Jahre jetzt eine Frauen-Quote eingeführt hat.  Dasselbe gab es neulich auch in Karlsruhe und noch anderen Städten, was merkwürdigerweise angegriffen würde, selbst von Frauen, wie der hilflose Mann, inmitten der Frauenrunde, schulterzuckend-ratlos bemerkte. 

Da kommt ja die Quotenfrau

Frauenquoten werden deshalb angegriffen, so kam es aus dem Publikum, da es von Männern  seitdem oftmals stöhnend heißt: „Da kommt ja unsere Quotenfrau.“ Und welche Frau wolle schon als solche bezeichnet werden. Ohne Quoten ginge es aber nicht, da es von der einen Hälfte der Menschheit wirklich genausoviel super qualifizierte Menschen gäbe, die aber nicht ausgewählt würden, sondern übersehen.  Dies wurde mit Zahlen aus den Studiengängen belegt. 

Claras Wieks Leben erfolgreich zum Theater gemacht

Vorher wurde wunderschön Clara Wieks Leben, ihre Zeit als Wunderkind, ihre überragende Musikbegabung, ihre Verehrung und Leidenschaft Schumanns, ihre sieben Kinder und ihr reichhaltiges Leben einer alleinerziehenden Mutter, vor und nach Schumanns Tod, um dessen Werkrezeption sie sich lebenslang mehr gekümmert hat als um ihr eigenes Werk, erfolgreich zum Thema gemacht. Hinter einem dunkelgrün-gemusterten, mit dicken stilisierten Blüten behangenen, mal farbenprächtig, mal dunkelblau angeleuchteten, wie Grabschmuck anmutenden Bühnenbildvorder- und Hintergrund agierten zu Beginn die sieben Frauen in weißen Kleidern der weiblich-hoffnungsfrohen Jugendlichen-Frauenmode des 19. Jahrhunderts. 

Das ging dann in die jubelnden Szenen der siebenjährigen Liebesgeschichte mit Schumann über, wo alle Frauen in einer unglaublich ausgelassenen Art jubelten, so dass das ganze Publikum mitging. Aber diese schöne Freude ging dann in die durch Geburtswehen unterbrochene, Hausfrauen- und Familienrealität über, in der alle Frauen in Schürzen, vor Kartoffeln sitzend sangen und agierten.

Das Leben der Kinder: Traurig und einsam

Wunderbar widersprüchlich zitierten die Frauen aus Tagebüchern und briefen, eine wollte sich der Liebe zu Schumann vorbehaltlos hingeben, eine fragte, wo denn dann ihr Talent bliebe. Nach der Pause waren aus den Frauen die sieben Kinder der Clara Wiek-Schumann geworden.  Das Leben dieser Kinder war oft traurig und einsam, jedoch liebten sie ihre Mutter vorbehaltlos, trotz Pensionatsaufenthalten, und dem Tod einiger von ihnen und anderer Schicksalsschläge. Stolz waren sie vor allem auf das Werk ihrer Mutter, die eigentlich lebte  wie eine heutige, um Emanzipation und Würde kämpfende Frau.

Das Musiktheaterstück war künstlerisch hervorragend gestaltet. Die Musik originell, mit Schumann und Wiek-Versatzstücken und modernen Klängen einer Musik, die Claras Zerrissenheit sinnlich erfahrbar machte.

Oft habe ich es schon als eine Masche erlebt, einzelne literarische Figuren mehrfach auftreten zu lassen, als Zwillings- oder Sechslingspaar sah ich es schon, zusammengebunden oder auseinander agierend, aber hier habe ich es in höchstem Maße originell gefunden. 

Zersplitterung ins Siebenfach stimmig

Es war stimmig, dass sie in sieben verschiedene „Leben“ zersplittert auftrat, so vieles gab sie, was sie erlebt, wie sie gefühlt, wie sie umherzuschwirren und umschwärmt wurde. Die Zersplitterung ins Siebenfache war nicht eine Minute monoton, es gab kein automatenhaftes Sprechen, wie so oft, wenn dieses Stilmittel eingesetzt wird, alles war überaus stimmig und passend, die musikalische Qualität, wie die spielerische der Protagonistinnen war herausragend!

Unklar blieb mir der Titel. Den Begriff Casting fand ich zu modernistisch. Das Ganze ist unbedingt empfehlenswert! Lohnt sich sehr!

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Podiumsdiskussion wurde u.a. mit Yvonne Büdenhölzer vom Theatertreffen Berlin, Karen Stone vom Theater Magdeburg, Dietmar Schwarz und Dorothea Hartmann von der Deutschn Oper, Sabine Bangert, MdA, Vorsitzende des Kulturausschusses in Berlin, Sarah Nemitz, Autorin und Annemie Vanackere, Intendantin HAU.

Die Kompositionen waren von Misha Cvijovic, Carlotta Rabea Joachim und Diana Syrse.

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