Eisler on the beach in den Kammerspielen des Deutschen Theater – Rezension

Das Stück lebt von der Geschichte des Komponisten Hans Eisler und seinen zwei Geschwistern, Gerhard Eisler und Ruth Fischer, beide mit internationaler Wirkung, beschreibt und erklärt Weltgeschichte an einem konkreten Beispiel, würzt mit Musik von Hans und stellt Bilder nach, die Edward Hopper (amerikanischer Maler der Neuen Sachlichkeit und des Lichteinfalls urbaner Szenen) malte.

Die Regisseure Kühnel/Kuttner haben ihr Dokumentarstück, es arbeitet mit Verhörprotokollen aus amerikanischen Mc-Charty-Prozessen, in denen Ruth Fischer ihre Brüder denunziert, „Familienaufstellung“ genannt, nur dass man sich in dieser versöhnt, im Stück aber an die Behörden ausliefert.  Das Ganze lebt durch eine Athmosphäre von Kühlheit, Verlorenheit und Feindschaft, die den damaligen Zustand ungeheurer Niederlage der Linken nach dem Kriege beschreibt. Antithetisch dazu wirken die Lieder von Eisler. Sie erinnern an die Siegeszeiten des Kommunismus in den 20/frühen 30er Jahren.  Die Verlorenheit  wird unterstützt durch das Bühnenbild, dessen Raffinesse aus orginalgetreuer Nachstellung einiger Bilder von Hopper besteht, in die die Spieler integriert und dann daraus abgefilmt werden. Mehrfacher V-Effekt um Stimmungen zu erzeugen.  So wird ein ganzes Verhör in das Bild „Morning sun“ transponiert und das Verhör wird von einer eifersüchtigen Geliebten im Bett geführt, die ihren Freund am offenen Fenster nach seinem Seitensprung ausfragt.  Eine andere Szene spielt im Bild Nighthawks, dort sitzen einige voneinander getrennte Menschen an einer nächtlichen Bar, Matthias Schweighöfer als Inkarnation Marx macht dort den Eisler, Hans. Sie trinken und sind resigniert, denn nicht nur sind dem Kommunismus im Faschismus Millionen Menschen gefoltert und ermordet worden, auch in der SU sind durch Stalin die besten Frauen und Männer der revolutionären Aufbruchszeit verfolgt, hingerichtet und verbannt worden.

Nichts ist schlimmer, als wenn sich Geschwister öffentlich streiten

Ruth Fischer hat hier eine mehr als unrühmliche Rolle gespielt, zunächst galt sie als eisenharte Vertreterin der Durchsetzung von SU-Beschlüssen in der KPD, bekämpfte da stark die „Abweichler“, ganz im Sinne Stalins, nachher fühlte sie sich derart paranoid verfolgt von Stalin, dass sie ihre beiden eigenen Brüder der Spionage und des Mittuns an der Ermordung ihres Mannes beschuldigte, wofür es nicht die geringsten Hinweise gab. Nichts ist schlimmer, als wenn sich Geschwister öffentlich ans Messer liefern, da erwartet man doch eher einen Rest menschlichen Zusammenhalts über alle Klassen-, Standes-, politisch-, weltanschauliche Grenzen hinweg. Diese sind Ruth Fischer nachhaltig verloren gegangen, warum das geschah, kann hier nur aus der allgemeinen nachfaschistischen Resignation und dem Neuaufkommen antikommunistischer Hetze nach 1947 rückgeschlossen werden, persönlich-familiär entschlüsselt sich der Hass nicht. Ruth Fischers Hass richtet sich in erster Linie gegen Gerhard, Hans wird mit hineingezogen, stundenlange Verhöre sollen beide zermürben, die sich ihr Lebenswerk von vor dem Krieg nicht zerstören lassen wollen, aber selbstverständlich vor den Ausschüssen ableugnen.

Simone von Zglinicki als ältere Ruth gibt diese als Glanzrolle

Die Geschichte wird in zwei zeitlichen Ebenen inszeniert, einmal treten die Protagonisten 1947 als schon etwas Ältere auf, das andere Mal als junge Exilanten, den Beginn der Hitlerära noch unterschätzend. Die jungen Spieler sind Maren Eggert (als Ruth), ausgesprochen gut der jungen Ruth Fischer nachempfunden in Bewegung, Kleidung und Ausdruck, dann Daniel Hoevels (als Gerhart) und Ole Lagerpusch (als Hanns), damals sind sie noch nicht entzweit. Sie haben jeweils ein älteres Doppel zur Korrespondenz: Simone von Zglinicki als die ältere Ruth gibt eine Glanzrolle, naturgetreu und psychologisch schlüssig, Jörg Pose und Michael Schweighöfer als Hanns Eisler, mit viel Haar Karl Marx nachgestellt als Gegensatz zum echten Eisler, der glatzköpfig war.

Stalin als tragisches Problem der Linken 

Das Stück besteht aus dokumentarischen Szenen, daher ist es kein Schauspiel shakespearscher Prägung, obgleich es dazu doch den Stoff durchaus geboten hätte, es gibt einen Anreiz sich mit KPD-Geschichte zu beschäftigen, positiv fällt auf, dass die Kritik an Stalin hier nicht antikommunistisch ausgeschlachtet, sondern als tragisches Problem der Linken deutlich wird. Leider fällt aber das Stück manchmal dramaturgisch ein wenig auseinander und viele Fragen bleiben unbeantwortet. Die Musik, die Bildhaftigkeit der Hopper´schen Gemälde als Szenenhintergrund und die Ungeheuerlichkeit geschwisterlichen Hasses gibt dem Stück seine Dramatik. Es zeigt, was aus Menschen werden kann, die in den Strudel der Geschichte eingetaucht und hineingerissen werden, an ihr teilhaben und durch sie verletzt werden.  Es werden viele Eisler´sche Lieder gebracht, am Ende das ernste Klassikwerk, dass der Dramatik des Brudermordens gerecht wird. Unbedingt empfehlenswert!

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