Mädchen in Uniform – Keine Freiheit und kein Theater – Rezension
2.3.10 / Feuilleton / junge welt
Der Vorhang aus blauweißkarierter Bettwäsche, rechts und links Spinde mit herumliegenden Sachen, um die Bühne helles Holzgestänge. Mädchen in rosafarbenen Hemden tanzen in gewollt heldenhaften Posen. Im Programmheft ein chinesisches Schwerttanzmädchen mit steinernem Gesicht. Drei Frauen reden mehr aneinander vorbei als miteinander. Zwei Lehrerinnen (Brigitte Cuvelier und Christine Groß) und eine Schülerin (Sophie Rois), die eine Lehrerin liebt. Im Hamburger Schauspielhaus hat René Pollesch den Roman »Mädchen in Uniform« von Christa Winsloe, der schon 1931 und dann noch einmal 1958 verfilmt wurde ziemlich frei dramatisiert.
Stimmen: »Warum bleibst Du hier?« »Papa erlaubt es nicht, daß ich zurückkomme« »Eine deutsche Frau muß Zucht kennen, gehorchen…« »6 Jahre auf der Schauspielschule… weil man exaltierte Künstlerinnen braucht… Die Disziplin hier drinnen steht in keinem Verhältnis zur gesellschaftlich prekären Selbstverwirklichung draußen…« Das singt der Frauenbataillonschor, das sprechen die drei Frauen, das scheint eine hohe Bedeutung zu haben.
Dazu versprengte Sätze zum Faschismus, während die drei Frauen hin und her laufen. »Jeder will Künstler sein, nicht umsonst hat Hitler sein dickstes Buch in der Haft geschrieben.« Das Publikum lacht, wenn es heißt: »Alle werden kreativ, auch in Theresienstadt«. Die Schülerin ärgert sich, daß sie dem Publikum den Rücken zugekehrt hat. Ihre geliebte Lehrerin sagt: »Du hast in die falsche Richtung gespielt, Du bist das unbegabteste Kind, was es gibt!«
Alle Sätze hängen wie Wäschestücke auf der Leine – man kann sie abnehmen, aber auch hängen lassen. Vielleicht müssen sie noch trocknen? Die Beziehungslosigkeit wird nicht gespielt, sondern gebrüllt. »Du bist der kleine Junge, der aus Langeweile seinen Schwanz lutscht.« Später wird das Publikum direkt angesprochen – es habe wohl die Richtung verloren. Mahnung auf der Bühne: »Da draußen in der Außenwelt wirst du ausgeschlossen sein!« Dann heißt es wieder: »Es gibt keine Freiheit, jenseits der Unterdrückung«. Darum geht es also? Dann wieder Zerfaserung: »Der erste Kuß, das ist Totalisierung… in den zunehmend fabrikmäßig organisierten Universitäten… wir reinigen unsere Waffen…!
Der Frauenbataillonschor fällt pantomimisch über die Schülerin, die falsch spielte, her, die Choreographie ist schön, eignet sich gut für das Hauptplakat, gibt aber weiter nichts her, bleibt leer, weil sonst kein Inhalt ist, kein Spiel. Dafür ein Tanz mit Gewehren, die Mädchen ziehen sich bis aufs Hemd aus, brüllen: »Wir sind alle gesellschaftliche Wesen, dieses ist nichts als eine singuläre Liebesgeschichte«, von der man man leider nichts bemerkt hat. Dann ab, Vorhang zu, Ende.
Die Zuschauer klatschen und jubeln, obgleich sie nicht unterhalten, nur gelangweilt wurden. Mithilfe solchen Deklamationstheaters, in dem die Belehrung à la Brecht dadaisiert und damit in ihr Gegenteil verkehrt wird, kann man vielleicht dem Hamburger Senat weismachen, daß man sein Geld sinnvoll angelegt hat, aber kaum eine nachhaltige künstlerische Wirkung erzeugen. Die 60 Minuten ohne Pause fühlen sich sehr lange an.
Nächste Vorstellungen: 14., 29.3.10