Nach der Stille – Filmrezension

28.9.11 / Feuilleton / junge welt
In der palästinensischen Stadt Dschenin/Jenin  suchen die Menschen seit einiger Zeit nach kulturellen Antworten auf den Alltag, dessen Traumatisierungen nicht mehr ohne Schaden zu nehmen bewältigbar scheinen. Als der anrührende Dokumentarfilm »Das Herz von Jenin« (2008) dort nicht gezeigt werden konnte, weil es kein Kino mehr gab, beschlossen die deutsche Filmemacher zusammen mit ihren palästinensischen Protagonisten, eine verfallenen Kinosaal wieder zum Leben zu erwecken, das »Cinema Dschenin«. Mittlerweile gibt es dort Filmbühne, Terrasse, Cafeteria, Garten- und Gästehaus. Ging es beim »Herz von Jenin« um die Frage, ob ein Vater die Organe seines toten 11jährigen Sohnes, der irrtümlich von israelischen Soldaten erschossen worden war, einem israelischen Krankenhaus spenden sollte, so handelt »Nach der Stille« davon, wie eine Frau, die ihren israelischen Mann, einen Friedensaktivisten, bei einem Selbstmordanschlag verloren hat, die Eltern des palästinensischen Attentäters besucht. Deren Sohn sprengte sich und 15 Opfer in einem Restaurant in Haifa in die Luft.

Der Film von Jule Ott und Stephanie Bürger beginnt mit Worten aus dem Off: »Heute ist ein großer Tag für die Zukunft unserer Kinder! Du bist eine Mutter, ich bin eine Mutter, er war 24, er sagte, er gehe zur Arbeit, dann haben wir es in den Nachrichten gesehen.« Der Film nähert sich dem Treffen langsam, schildert minu­tiös das Aufspüren der Familie, den ersten Kontakt. Es ist keineswegs klar, ob das Vorhaben gelingt. Ein sanfter und poetischer Dokumentarfilm, mit weicher Musik, die stark im Kontrast zu der Gewalt steht, von der alle Augenzeugen berichten. »Meine Mutter wurde von einem Scharfschützen umgebracht, was, wenn ich eure Mutter umbringe?«  Originalfotos des Restaurants nach dem Attentat. Originalfotos der israelischen Invasion in Dschenin. Ein Krieg, den man normalerweise in Haifa nicht merkt. » Die Organisation«, sagt ein Freund des Attentäters, »stellt nur die Gürtel, sie rekrutiert nicht, sie wirbt nicht, die jungen Leute gehen von selbst hin« Die Witwe geht zu einer von palästinensischen und israelischen Eltern gegründeten Opferinitiative. Eine Atmosphäre wärmsten Zusammenhalts. Im allerletzten Bild eine kurze Umarmung der Frau aus Haifa mit der Mutter des Attentäters, dazu die Eingangsworte: »Heute ist ein großer Tag…«

»Nach der Stille«, Regie: Jule Ott/Stephanie Bürger, Palästina 2011, 82 min, bereits angelaufen

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