Sein oder Nichtsein – Altonaer Theater Hamburg – Rezension
27.4.12 / jw- Feuilleton
Sein oder Nichtsein« ist eine berühmte antifaschistische Verwechslungskomödie von Ernst Lubitsch aus dem Jahr 1942, die im Polen unter deutscher Besatzung spielt.
Über dieses Polen weiß man meist viel zu wenig. Erst kürzlich las ich den überaus bemerkenswerten »Bericht an die Welt« von Jan Karski, der als Kundschafter der polnischen Exilregierung in London unterwegs war. Die polnische Exilregierung leitete erst von Frankreich, dann von London aus eine vollständig parallele Untergrundgesellschaft an, mit Zehntausenden von illegalen Helfern. Von dieser Zeit legt Lubitsch’ Film Zeugnis ab, in dem eine Schauspieltruppe ihre Künste im Widerstanskampf erproben muß. Neuerdings wird der Filmstoff auch auf die Bühne gebracht. Zunächst im Gorki-Theater in Berlin, nun in Hamburg, im Altonaer Theater unter der Regie von Christian Nickel.
Man nennt mich Konzentrationalager-Erhardt ?
Der nicht so leicht zu machende Witz, (…man nennt mich Konzentrationslager-Erhardt?) dass die Karrikatur der Person des Gruppenführers Ehrhardt, einem echten, nicht verurteilten Nazi-Verbrecher nachempfunden, (Ludwig Hahn, nach dem Krieg Versicherungsvertreter in Hamburg, bis 1972 unbehelligt), schließlich von der Realität übertroffen wurde, gelang gut, ebenso wie die Figur des Grünberg, der hier sogar fast besser als im Film gegeben wurde. Weniger satirisch interpretiert, hatte er mehr Ernst, trat mit einem Kind zusammen auf, was Hilflosigkeit und Flucht und Versteckenmüssen besser verdeutlichte, sprach den Shylock-Monolog (wenn ihr uns stechet…sterben wir nicht?) jeweils passend zur dargestellten Szene etwas herausgerückt und verfremdend. Seine Figur wurde stärker als ein Gegengewicht eingesetzt.
Ein unspektakulär gemachtes Stück, das nachdenklich macht, obwohl es zum Lachen reizt. Thomas Oberender formuliert im Programmheft: »Suche nach dem Gefühl, das man haben könnte, die Suche nach der Haltung, die man haben könnte, die Suche nach einem Leben, das man lebt oder das uns lebt«
Nächste Vorstellungen: 28.4., 2.5., 3.5., 4.5.