Bauern, Bonzen, Bomben in Hannover – Rezension

Bauern, Bonzen, Bomben in einer Bearbeitung des Schauspiel Hannover, Regie Tom Kühnel, ist empfehlenswert. Die Sozialstudie ist hochaktuell gespielt und sagt uns besonderes viel zur Entstehung möglicher faschistoider Bewegungen.

Tucholsky bezeichnete ihn als „wundervollen Kleinstadtroman“, der das Gewebe auftrenne und uns das Futter zeige, „schmerzhaft echt“, ein  „Meisterstück forensischer Schilderung“, ein Roman, der zeige, dass „in die deutschen Städte der demokratische Gedanke niemals eingezogen ist, fast alles, was hier geschieht, beruht auf Nötigung oder Erpressung: Der Bürgermeister drückt auf die Zeitungsleute; die Zeitungsleute drücken das Rathaus; die Bauern auf die Kaufleute, jeder weiß etwas über wen und nutzt diese Kenntnis auf das raffinierteste aus.“  Ignaz Wrobel 7.3.31 in der Weltbühne

Der erste große Roman von Hans Fallada, „Bauern, Bonzen, Bomben“, ein aus vielen Einzelszenen montiertes Romankonvolut,  wenig beachtet in der herrschenden Literaturwissenschaft, wo die Probleme kleiner Leute meist weniger wichtig sind, dafür umso mehr von diesen gekauft, als er 1931, kurz vor dem endgültigen Sieg der  Faschisten herauskam.

Wer aufmerksam liest, kann hier durchaus soziologisch wertvolle Erkenntnisse zur Faschismusentstehung finden, dementsprechend warnt Tucholsky ihn in seiner Rezension vom 7.3.31 in der Weltbühne: „Sieh Dich vor, Fallada, …begeistert wird die kleine Stadt gerade nicht sein – nicht davon, wie er sie entblößt, wie er aufzeigt, dass weit und breit keine Juden da sind, die man für alles verantwortlich machen könnte; weit und breit keine Kommunisten, die etwas bewirken…wenn sie dich kriegen, Hans Fallada,…sieh Dich vor, dass du nicht hangest!“

Reinste Klassenstudie

Fallada war aber sowieso nicht so mutig und hängte sich stattdessen lieber an die Nadel und den Alkohol, denn das Drama war, er war ja selbst in die Schicht hinabgesunken, über die er schrieb, sein autoritärer Vater hatte ihm schon als Kind das Rückgrat gebrochen, und als er eben mit seinen beiden großen Erstlingen (Bauern, Bonzen, Bomben und Wolf unter Wölfen) reüssierte, brach ihm der Faschismus innerlich den Hals. So kommt es, dass man von diesem Autor, der schon 47 starb, so wenig hört, obgleich er doch unglaublich echte Sozialstudien der Weimarer Republik und später auch des Faschismus lieferte. Reinste Klassenstudien, die uns heute wieder neu wertvoll werden können.

Das Hannoveraner Schauspielhaus hat sich daran gemacht, aus dem 800-Seiten-Roman ein Stück zu machen, dies ist insofern nicht schwer, da Falladas Bücher stark dialogisch aufgebaut sind, schwieriger dürfte sich das Kürzen gestalten.

Das Stück dauerte daher auch von 19.30 Uhr bis 23.30 Uhr, abzüglich Pause. Doch langweilig wurde es nie, im Gegenteil, die 80 Jahre, die dazwischen liegen, schnurren in eins zusammen, ich muss an Rostock und Stralsund denken, andere denken sich andere Städtchen, man kennt, was hier gespielt wird, alles, war man je in der Provinz ansässig. Doch die Übertragung aufs große Ganze gelingt auch, man denke an Guttenbergs Doktorfake und Fischers, Stoibers, Strauß´ und Westerwelle´s kleinere und größere Leichen im Keller und das alles kommt einem in den Kopf, ohne dass die Kostüme es einem aufdrängen. Die Bühne ist nur links vorn historisch, mit einem alten Holzschreibtisch, alten Telefonen und Schreibmaschine ausgestattet, des Weiteren gibt es nur noch einen Baum, etwas surreal, mit angebrachtem Telefon, der feststeht. Die anderen Bühnenmöbel sind beweglich, ein Bett, der Schreibtisch des Bürgermeisters, drei Sofaeinsitzer, fahren alle wie fahrbare Rollstühle, von ihren Protagonisten gesteuert, wenn sie dran sind, auf die Bühne. Das ist eine witzige Idee, besonders als in der ersten Szene noch eine echte Kuh am Strick herein geführt wird, der Älteste der Bauern im echten Trecker zur Demo fährt und ein Oldtimer die Bürgerlichen bringt. Zweifellos sollte das Dokumentarische betont werden, wie es ja auch Fallada selbst getan hat, und das ist gelungen, denn die Präsentation der echten Gefährte ist so gut in ein ansonsten minimalistisches Bühnenbild eingeordnet, dass es nicht überladen oder kitschig wirkt.

Das Anmisten ergreift Stuff wie eine Leidenschaft

Die Hauptdarsteller, die die beiden Journalisten geben, Stuff (Rainer Frank, sehr sympathisch, wird nie langweilig) und Tredup (Mathias Max Herrmann, sieht Fallada verblüffend ähnlich) spielen großartige Typisierungen, die Freude über das „Anmisten“ ergreift den Stuff wie eine Leidenschaft, denn da er sich selbst für das größte Arschloch hält, wird ihm zum schuldentlastenden Gesetz, dass alle anderen auch schlecht seien, was wiederum rechtfertigt, alle zu hassen. Anders die Hinterhältigkeit des Tredup, dessen heimliche Denunziationen und Ränkeschmiedereien, die fast ohne sein Zutun passieren, wunderbar von diesem schüchternen Fallada -Verschnitt gespielt werden. Ebenso sind alle weiteren Protagonisten,konzipiert als reine Typen, die für menschliche Eigenschaften und Charaktere und weniger nur für die konkrete Situation selbst stehen. Eine Fabel wird sichtbar, ohne dass es eine sichtbare Lehre gäbe, die Sozialstudie Falladas wirkt indirekt, und dies ist gelungen ins Jetzt zu transportieren.

Verrat der Interessen kleiner Leute kann zum Faschismus führen

Deutlich wird auch, wie Faschismus beginnt. Der Reformismus der Sozis, ihr Verrat der Interessen der kleinen Leute, ihre Anbiederei an die Macht, des persönlichen Vorteils willen, das ist nicht alles so harmlos, wie wir vielleicht manchmal gedacht haben, denn wenn diejenigen, auf die das Volk einst seine Hoffnung setzte, nun enttäuschen, dann wächst die Wut ins Unermessliche und dann ist das genau der Hebel, mit dem Faschismus sich etablieren kann.

Zur Handlung:

In Altholm, einer Stadt, die Neumünster nachgeformt sein könnte, fristen Stuff und sein Gehilfe, der Anzeigenaquisiteur Tredup, ein kümmerlich-langweiliges Leben, bis sie Ereignisse unter den Bauern aufschrecken, die nur deshalb von ihnen verfolgt werden, weil sie sich gegen die Roten richten lassen. Der Gemeindevorsteher aus Barkenfled erklärt den Bescheid des Finanzamts für nichtig, der einem von ihnen den Hals brechen soll, dies führt zu einer Versteigerung, in dessen Verlauf eine Kuh weggeführt wird, die Vertreter des Beamtenstandes halten ihre Arbeit selber zwar für „die größte Schweinerei“, machen sie aber sowohl dienstbeflissen als auch mit Dienstwaffe, den beiden wird der Weg dann aber durch einen brennenden Strohballen versperrt, daraus wird eine Anzeige, daraus wird eine Demo, bei der es zu Ausschreitungen kommt, die durch einen kleinen „Spion“ eskaliert werden, so dass bereitgestellte Soldaten einschreiten, ein kleiner Karton geht vorm Ministerium hoch, ein Prozess um die Fahne, eine stetig anwachsende Eskalation, die Geschehnisse vorantreibt, in deren Verlauf die gesamten gesellschaftlichen Verflechtungen sichtbar werden, als wenn man den Grund des Meeres ans Tageslicht hebt.

Erstaunlich aktuell

Traurig und tragisch: Das ursprünglich durchaus revolutionäre und  klassenbewusste Anliegen der Bauern, dass sich gegen ihre Ausbeutung und Aussaugung richtet und bis auf Florian Geier zurückgeht, wird hier von den Freikorps und weiteren noch etwas ungeordneten Kräften der Rechten geschickt in eine antiproletarische Position umgelenkt und so werden die einen gegen die anderen ausgespielt, während sich die   Reichen und Bürgerlichen ins Fäustchen lachen. Dazu werden die reformistischen „Roten“ (SPD), die überall nur Halbherzigkeit mit dem höchsten Ziel der Postenschieberei betrieben, aus den Ämtern gekippt, auf dass man das Feld frei halte für eine „neue Bewegung“.  Der erst so mächtige Gareis steht am Ende ziemlich bedröppelt da und bettelt um Anerkennung, was können wir hier lernen? Reformismus ist nicht einfach harmlos, bringt ein paar Verbesserungen und schadet nicht, nein, auch er kann gefährlich sein, denn er kann den Weg ebnen zu Schlimmerem, heute wie damals, mit der SPD ist die erste deutsche Kriegsbeteiligung durchgesetzt worden und hat den Weg zu weiteren geebnet, mit der SPD ist mit den HartzIV-Gesetzen ein modernes Sklavenhaltersystem etabliert worden. Das Stück hat eine erstaunliche Aktualität, in seiner Machart überrascht es immer wieder, hat Brüche, Verfremdungen, Typisierungen, keine Gefahr der Überidentifikation, dafür viel Raum für Witz und Übertragung, Ergebnis: Politisch-marxistischer Erkenntniszuwachs, bestes episches (erzählendes) Theater.

Ticketts hier: http://www.staatstheater-hannover.de/schauspiel/index.php?m=22&f=07_seiten&ID_Seite=13

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