Die Kunden werden unruhig – in der Theaterkapelle – Rezension

30.9.13 / jw- Feuilleton/

Die Theaterkapelle ist ein wunderschöner Spielort in der Boxhagener Straße, die Macherinnen und Macher dort arbeiten aus Leidenschaft. Die Regisseurin, Theaterdozentin und Intendantin Christina Emig-Könning hat den Ort zu einem multimedialen Spielort gemacht, viele Künstler haben hier die Gelegenheit sich auszuprobieren und weiterzuentwickeln, die Anwohner ein innovatives Theater direkt in ihrer Nähe. 

Diesmal war die Bühne, es handelt sich um das Innenschiff der alten Kapelle, allerdings so hergerichtet, wie die Theaterkapelle bald aussehen wird, wenn es so weitergeht wie bisher, dass nämlich sämtliche Fördergelder gestrichen wurden.  Von der Decke tropft es, Putz rieselt staubig herab, die lose an Kabeln herabhängenden Birnen knistern gefährlich. Alte Stühle stehen herum, die Kirchenbänke sind in Folie eingewickelt.

Dazwischen spielen heute drei Leute ein Burnout vermeidendes Supervisionsdrama einer Mitarbeiterkleingruppe aus irgendeiner Bank. („Die Kunden werden unruhig“ von Johannes Schrettle) Wie die maroden Räume, haben sich auch die Persönlichkeiten und Beziehungen dieser Bankmenschen ganz den Verwertungsbedingungen des Kapitals unterworfen und das da etwas schief läuft, merkt man aus den gestotterten, mit inneren Monologen durchsetzten Sätzen, die diese sich aus den Mündern quälen.

Kein Näherkommen

Unsicherheiten und neurotische Reaktionen halten diese Menschen mühsam aufrecht, die durch den ständigen Umgang mit Zahlen, Maschinen und Sprachformeln keinerlei Übung im Umgang mit Ihresgleichen mehr haben. Ein nervöser Kollege, eine Führungskraft, eine Personaltrainerin sind die Personen, die hier weniger geschaffen und gezeigt, als von den Schauspielern, die gleichzeitig immer wieder ihre Rollen kommentieren, in ihre Einzelteile zersplittert und zerlegt werden. Ihre hölzern-heuchlerische, gleichsam kriecherische und sich selbst scheinbar enthüllende, in Wahrheit sich um so mehr verbergende Art der Kommunikation, die keinerlei Näherkommen beinhaltet, ist gut gespielt, aber auf die Dauer etwas mühsam.

Blut und Melone

Die Idee ist gut, erinnert an Jellinek, aber leider ist die Umsetzung mE künstlerisch nicht überzeugend gelöst. Zum Ende der Supervisionstortur geraten die Personen horrormäßig aus den Fugen und da wird es dann leider grob gesagt geschmacklos: Die Führungskraft, die vorher schon eine pornografisch-sexistische Einlage mit dem nervösen Kollegen gab, nimmt ein Brotmesser und ersticht theatralisch die sich ständig neurotisch juckende  Personaltrainerin. Dabei übergießt sie sich selbst mit Blut, wirft danach eine Melone auf den Boden und wälzt sich anschließend in deren Fruchtfleisch. Ein Segen, dass das Publikum nicht, wie in ähnlichen Fällen üblich, damit beworfen wird, den Ausgang verstellt allerdings das Spiel (Die Bühne ist vor der einzigen Ein- und Ausgangstür aufgebaut), so dass eine Flucht der Zuschauer aus dieser Szene leider nicht gelingen kann.

Das Gesagte bleibt äußerlich

Was soll das uns zeigen? Wut, Dekadenz und Zerstörung von Menschlichkeit? Das hat man verstanden, doch ist es angekommen, dass man etwa einen Begriff bekommen hätte von dem Schmerz, den eine einzige kleine Gewalthandlung zufügt?  Nein, das Gezeigte bleibt äußerlich, wie die 60 Fernsehleichen, die diese Generation von Künstlern vielleicht von klein auf an im Fernsehapparat anschauen musste. Die Ästhetisierung von Gewalt störe nicht, wird dazu in Aufsätzen verbreitet, deren Salär die Filmindustrie bezahlt. Die Kinder könnten es auseinanderhalten, was dort spielt und sonst um sie herum vorhanden ist. Mag sein, dass man das zur Rechtfertigung verbreiten muss, es beruhigt das Gewissen der Einschaltquotenjäger und gewährenden Eltern, stimmt aber psychopädagogisch nicht. Kinder haben einen starken Nachahmungstrieb, der bezieht sich auf alles, was sie sehen, auch wenn es auf Filmsequenzen flimmert.

Gewalt wird abstrakt

Die Gewalt wird so zu einer Leichtigkeit, die mit Eimern von Farbe daherkommt und verliert den Charakter einer gefährlichen Sache, die weh tut. In Verbindung mit der noch vorhandenen Vorstellungskraft, was echte Gewalt bedeutet, löst solch ein Spiel im besten Falle im Zuschauer Ekel aus. Gewalt wird durch solche Sequenzen abstrakt und auf die Ebene eines Spiels herabgedrückt und mischt sich dem Zuschauer mit dem frischen Melonengeruch zu einer harmlosen Performance.

So ein bißchen symbolisch ermorden?

Von der Idee her war der erste Teil interessant angelegt, doch wird man den Verdacht nicht los, dass die Resignation und Wut, die die Theatermacher der Kapelle selbst ergriffen hat, anlässlich ihres vergeblichen Bemühens, ihre Kulturstätte zu erhalten, sich hier irgendwie auf die Ästhetik ausgewirkt hat. Vielleicht soll die das Geld verweigernde Behörde so ein bißchen symbolisch ermordet werden? Und die Eimer Blut, die die arme Schauspielerin sich überkippen musste, sollten die vielleicht eher vor die Tür der Stelle gekippt werden, die die Förderung gestrichen hat? Das hätte vielleicht noch einen gewissen Aussagewert gehabt.

Eva Loska: Herausragend!

Schauspielerisch hervorragend: Eva Loska als die Personalberaterin. Mit großer Leichtigkeit und wunderbarer Durchsichtigkeit spielt sie ihre Rolle, der am stärksten das gelingt, was das Stück transportieren soll: Das Geld nicht alles ist, wie es im Programmheft heißt.

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