Was war die Pariser Commune? – Vortrag und Lesung von Jutta Ditfurth – Rezension
Vor Zeiten gab es eine erste Fassung dieses Buches (Die Himmelsstürmerin, 1998), diese wurde in “Welt” und bei “Brigitte” hochgelobt, es hieß dort, dass eine „hochkarätige Politikerin” ein “hochkarätiges Buch” geschrieben hätte“. das ist zwar freundlich, aber hier muss ein Missverständnis vorliegen, so die Autorin (sie liebt offenbar keine Komplimente aus dem konservativen Lager), ihr Anliegen sei damals und heute immer gewesen, vor allem die Geschichte der Zeit der Pariser Commune zu erzählen, da wir aus ihr viel lernen könnten. Ihr Buch sei also kein Liebes- sondern ein politischer Roman.
Nun nähert sich der 140. Jahrestag der Pariser Ereignisse und da habe sie das Buch, mit eindrucksvollen Bildern aufgefüllt, gründlich überarbeitet, nochmal herausgeben wollen. Ziel: Historische Erinnerung, die zu diesem Thema nirgends gern gesehen wird, wachhalten, in diesem Fall aus dem Tiefschlaf erwecken und die Menschen zu diesem Thema aufrütteln. Deshalb Ihr Motto: „Benutze deine Urgroßmutter um das Thema in die Köpfe zu bekommen“. Sie erläutert: Die Lehren der Pariser Commune sind gefährlich für die herrschenden Eliten, damals waren es die Adligen, heute sind es? Ähnliche Kreise, ähnlich dünkelhaft, ähnlich arrogant gegenüber der Masse, mit demselben, wenn nicht größeren Abstand ihres Gehalts/Vermögens zu dem ihrer Untertanen.
Bilder hinter verschlossenen Türen
Als sie in Paris recherchieren war, gab es kein einziges Bild der Pariser Commune im Louvre, erst nach endlosem Nerven zog sie ein Gardrobier beiseite, der ihr über verwinkelte Treppen einen dunklen Kellerraum zeigte, dort hingen die Bilder. Beiseite gestellt, hinter Türen verschlossen, verboten – auch heute noch? Zumindest sind sie dem Vergessen anheim gefallen, wie die Zeit, ihre Geschichten, ihre Lehren, über 30 Bilder… Es ist interessant, Jutta Ditfurths Lesungen sind anders als andere ihrer Art, die man sonst so anhört, hier und da, wo die einsam in ihren Stuben Schreibenden einmal ins Tageslicht der Menge blinzeln und brav ihre vorgegebenen Stücke Text herunterlesen. Ditfurths Lesungen werden zu anregenden Geschichtenrunden, zu Proklamationen, flugs zur politischen Kundgebung, man merkt, ihr fehlt die politische Bühne, vielmehr hat sie die politische Bühne nie verlassen, sie steht darauf, sofort und auch in jeder Lesung und das ist ihr Talent und darin läuft sie zu Hochformen auf. In der Tat haben wir die Pariser Commune aus den Augen verloren, wer spricht schon darüber, das sollten wir ändern, vielleicht sollte ein Kongress vorbereitet werden, denn mit einer Brutalität ohnegleichen haben auch hier die Deutschen in eine fortschrittliche Entwicklung blutig eingegriffen um das Rad der Geschichte auf dem Rücken von über 30.000 ermordeten und 40.000 vertriebenen Menschen, Männer, Frauen und Kindern, zurückzudrehen. Man sieht sie auf den Stichen und Gemälden und den wenigen Fotografien aus dieser Zeit, auf dem Höhepunkt der Industrialisierungswelle während der größten Armut in Deutschland, auf den Hügeln vor Paris, mit geraubtem Wein auf ihren Sieg über die Gerechtigkeit anstoßen. Diese Bilder beeindrucken zutiefst.
Nicht verhindert, dass die Milliarden auf Kutschen heimlich abtransportiert wurden
Packend gelingt es ihr zu schildern, was genau damals in Paris geschah, welche vielfältigen Aufgaben die Revolutionäre zu bewältigen hatten und wie klug sie in vielen Einzelheiten gehandelt haben, damit die Blutbäder der ersten französischen Revolution sich nicht wiederholen würden. Und dann der größte Fehler: Nicht verhindert zu haben, dass jede Nacht die Milliarden auf Kutschen weg nach Versaille transportiert wurden, damit konnte die Konterrevolution bezahlt werden und das Schlachten begann. Ausdrücklich sollte Rache genommen werden, dazu wurden die Soldaten dezidiert per Befehl und Dekret aufgefordert, niemand sollte den Freiheitsfunken über die Stadtgrenzen hindurch Richtung Deutschland tragen. Wie anders hätte unsere Entwicklung verlaufen können… Spannend berichtet Jutta Ditfurth, wie sie zu dem Stoff kam, was dazu geortet werden musste, wie sehr versunken all das gute und kluge Wissen aus der Zeit der Pariser Commune ist. Einen kleinen Anfang, das Thema ins Bewusstsein zurückzuholen, möchte sie mit der Neuherausgabe ihres Buches machen, Weihnachten stehe vor der Tür, man könne es erwerben..
Ihre Lesungen mit Diavortrag zum Thema „Pariser Commune“ samt Buchvorstellung, können bei der Autorin gebucht werden, sie versprechen einen politisch anregenden Abend.
Vom Pech verfolgt konnte ich diese Lesung, trotz Einladung von Jutta, nicht besuchen da der alltägliche Arbeitszwang mir den Weg nach Berlin versperrte. Was aber nicht heißt, dass ich das nicht nachzuholen wüsste 😉 Ich kenne das Buch seit der hier schon erwähnten Erstauflage und die Beschreibung der politischen Verhältnisse macht es eben so einzigartig. Nicht, wie schon richtig festgestellt wurde, die Liebesgeschichte. Ich hoffe es war eine schöne Zeit in Berlin und warte auf meine Chance….
Danke jedenfalls an dich, liebe Anja, für diese Rezension.
LG,
Andrea