Scheppernde Antworten im Ballhaus – Rezension
24.10.12 / jw-Feuilleton
Scheppernde Antworten auf dröhnende Fragen« – das ist der Titel der ersten Inszenierung unter der neuen Leitung im Berliner Ballhaus Naunynstraße.
Gegeben werden gleich drei Kleinstücke auf einmal, auf die Bühne gebracht von den drei Nachwuchsregisseurinnen Nora Abdel-Maksoud (»Hunting von Trier«), Salome Dastmalchi (»Run Brothe run«) und Theresa Henning (»Mein Ruh ist hin, mein Herz ist schwer. Hallo Revolutionär!«). Sie alle kreisen um die Frage: Werden die Mädchen hergerichtet oder kommen sie schon so auf die Welt? In Rosa, verspielt, kindlich, bereitwillig dem Mann zu Füßen liegend.
Die Sprache ist gewöhnungsbedürftig direkt
Im ersten Stück, »Hunting von Trier« proben zwei Casting-Schauspielerinnen den Aufstand gegen einen Regisseur, der sie in demütigender und sexistischer Weise auf die Bühne bringen will. Zur Strafe wird er erschossen, und die beiden fahren mit einem US-Schlitten davon, dem einzigen Requisit, in dem sich die ganze Szene abspielt, einem türkisgrünen Ungetüm, in dem die Frauen das Fahren mimen und aus dem andere Mitspieler während des kleinen Stückes hervorkriechen. Die Performance gut durchgearbeitet, spannend, witzig und abwechslungsreich. Die Figuren verlieren ihre anfängliche Klischeestruktur und gewinnen an Tiefe. Die Sprache ist gewöhnungsbedürftig direkt, aber ganz im Sinne neuzeitlicher Fernsehprägung, gespickt mit Sexismen. Der Regisseur sagt: »Es gibt nur zwei Sorten von Frauen: Jungfrauen und Nutten, Durchbruchsnutten, Nutten im Sonderangebot, haarige Nutten, blutige Nutten, Pferdenutten.« Dagegen begreifen sich die Schauspielerinnen als »Riot-Kompagnie auf Rachefeldzug«.
Die Redundanz regressiv-sexistischer Sprache
Leider ist die Pointe die, daß das alles nur ein vorgeplanter Trick des Regisseurs war, um die Frauen zu Hochleistungen anzustacheln, weil sie es offenbar allein doch nicht bringen. Frage am Rande: »Ob Brad Pitt auch den Golden Globe bekommen hätte, wenn er seinen Penis in die Kamera gehalten hätte?« Die regressiv-pornographische Sprache ist auf Dauer redundant (»Fickmühlen«, »Fickikackidorf«, »Popoloching«).
Die zweite Performance, »Mein Ruh ist hin…« spielt im Keller, wo ein Gretchen (erfährt man aus dem Programmheft) sich auf einem Laufsteg an- und auszieht. Dieser Teil ist leider viel zu langatmig gestaltet.
Über die Einsamkeit der Gefühlsabtötung
Die dritte Performance reißt alles wieder raus, und ist die gelungenste des Abends. Drei Frauenfußballerinnen spielen Männerfußballer. Hier enthüllt die Satire echte Erkenntnis: Zu zeigen, wie leicht erlernbar angeblich typisch männliches Verhalten ist. Es geht um Verzweiflung und Geprotze, um die Einsamkeit der Gefühlsabtötung, das Ganze witzig und mit großem dramatischen Geschick gespielt.
Seit Judith Butler in den 1990er Jahren ist es ja hochschulisch etabliert, »männlich« und »weiblich« als gesellschaftliche und diskursive Konstrukte zu diskutieren. Man hat daraus viel Seltsames abgeleitet. Das praktische Leben dazu, das spielt im Theater.