Schreberzone im Keller (Neuköllner Oper) – Rezension

In die „Zone“ wollten sie uns früher immer rüberschicken, die „Zone“ war das Unwort für den weißen Fleck in unserem Atlas, der wie ein siamesischer Zwilling an Westdeutschland klebte und weder Straßen noch Städte zu haben schien. Eine weiße Insel mit Punkt, die Parallelgesellschaft, in der das Fremde lauerte, das wahre Böse.  `Zone´ in dem…

Schwarzweiß in Dessau – Rezension

Ein kleines umzäuntes Arreal im Stadtpark Dessau, einem kleinen Fleck grün in der Mitte der Stadt, am Tag hat hier eine Trauerfeier stattgefunden, denn am selben Tag vor zehn Jahren war hier im Stadtpark ein Mensch schwarzer Hautfarbe (Alberto Adriano) erschlagen worden. Menschen mit Blumen in den Händen. Afrikaner, Theaterbesucher. Am Eingang wird man durch…

So lonely – Rezension

Noch meine Großmutter hat ihre Kinder nicht aufgeklärt, der Unterleib galt als schmutzig, darüber zu sprechen als Tabu. Wenn ein Mädchen damals ihre Regel bekam, wurden diskret Vorlagen angereicht und ihr zugeflüstert, dass das nun ab jetzt jeden Monat „passiere“ und zum Kinderkriegen gehöre. Meine Tante war also der Überzeugung an einer unheilbaren Krankheit zu…

Zscherben – ein Dorf nimmt ab – Theater in Halle

Das Theaterstück in Halle beginnt damit, dass eine Art Fernsehmoderatorin mit den Zuschauern Klatschübungen durchführt, nach verschiedenen Hand- und Fingerzeichen werden Unmuts- und Beifallsbekundungen eingeübt. Das auf drei Rängen um die Bühne herumsitzende Publikum macht alles brav mit, auch die Aufforderung, dass sich alle umdrehen sollen und dem Hintermann die Hand geben. Erst als alle…

Die Ängstlichen und die Brutalen – Rezension

6.5.11 / jw Feuilleton Angst und Brutalität sind die zwei Seiten einer Medaille, sagt der Volksmund. Der Sozialwissenschaftler nennt es »Autoritätskonflikt«, der Psychologe »Identifikation mit dem Aggressor«: die Abwehr der Angst vor einer übermächtigen Autoritätsperson mit Härte und Kälte. Die Konservierung eines Teufelskreises, der immer wieder zu neuer Übermacht über Schwächere, zu neuer Autoritätsangst und…

Alice in den Fluchten und im Wunderland – Rezension

jw / 28.4.11/ Feuilleton Was fasziniert noch immer an den beiden Alice-Bänden von Lewis Carroll, die vor fast 150 Jahren erstmals erschienen? Ausschlaggebend für die Beliebtheit dieser irrealen Kindergeschichten, die in zahllosen Adaptionen von der Satire bis zum Kitsch in Film und Theater kreativ bearbeitet wurden, ist weniger ihre drogeninduzierte Aura als ihre Nähe zu dem,…

Draußen vor der Tür in Hamburg – Rezension

jw / 2.5.11/Feuilleton Wolfgang Borcherts berühmtes Stück »Draußen vor der Tür« meint nun nicht mehr nur noch 1947, nein, es ist jetzt, hier und heute gemeint, erstaunlich, wie gut das gelingt. … Am Hamburger Thalia Theater wird es von Luc Perceval sehr besonders inszeniert. Ein riesiger, schräg über die Bühne gespannter Spiegel gibt das Bühnengeschehen abermals…

Lö Bal Almanya – Rezension

Schon lange kann man in der Pädagogik den ebenso gefährlichen wie praktischen Trend beobachten,  Verursachung jeglicher Verhaltensweisen neuerdings wieder durch „Vererbung“ zu erklären. So auch Sarrazin: „Man muss davon ausgehen, dass menschliche Begabung zu einem Teil sozial bedingt ist, zu einem anderen Teil jedoch erblich…. ich erinnere an ein Dossier der Zeit dazu. Es berichtet…