Kunger-Kiez-Theater: Miss Sara Sampson – Rezension

Was kann an einer klassischen Dreiecksgeschichte heute noch interessant sein? Und was hat die Sache im Kunger-Kiez zu suchen?

Das Kunger-Kiez-Theater „Für uns ist Theater ein Schutzraum, in dem wir uns entwickeln und zusammen Kunst schaffen. Wir wollen Menschen inspirieren und zum Staunen bringen“, hat ein Spiel im Spiel daraus gemacht, die jüngere Tochter aus gutem Hause, eben verführt vom Alt-Playboy-Geschäftsmann Mellefont, unglückseligerweise gleich mit Eheversprechen, wird konterkariert durch die ältere, vorherige Geliebte  mit Kind, Maarwood, die den sich aus seinen Pflichten hinauswinden wollenden  Mellefont  nicht ohne Opfer hergeben will.

Eitelkeit und Selbstsucht

Gut gezeigt und damit durchaus in heutige Zeit transkribierbar, keiner der drei Personen liebt den anderen wirklich, es geht um nichts als Eitelkeit und Selbstsucht. Geschauspielert wird auf allen Seiten, Sara gibt die Naive, die geborene Hilflosigkeit, das Opfer mit Vaterkomplex, in Wahrheit mit dem Wunsch sich durch den Aufstieg zu einem reichen Geschäftsmann größtmöglich aufzuwerten. Maarwood die `femal fatale´,  gewieft in allen Finessen des Geschäfts der Männerverführung, will ihrer Rivalin die Suppe versalzen und Mellefont will eigentlich nur eine Erbschaft ergattern und Spaß haben.

Unter Filmsternchen

Das Stück wird unklar angesiedelt in der Theaterbranche, es könnte auch unter Filmsternchen spielen, die Diener, schon von Lessing als Ratgeber und wissende Unterschichtsmitglieder gezeichnet, sind hier im Dienstleistungsgewerbe beschäftigt und fungieren ebenfalls als die Stichwort- und Ratgeber.

Das Zeitlose:

Selbst bei Auflösung aller bürgerlichen Formen von Heiratszwang und Konvention geht es um das Problem, zwei Frauen am Rande eines reichen Mannes zu zeigen, dem es nie um Liebe ging. Frauen sind für ihn nur unter dem Aspekt größtmöglichen Begehrens und der Abwechslung interessant,  allerdings hat er nicht mit ihrer Kraft gerechnet.

Aufdeckung von Heuchelei

So will Maarwood die fehlende Liebe wenigstens mit Pflichtabgaben an das Kind oder Rückeroberung als Geldgeber ausgleichen,   und Miss Sara spielt die kindlich-frauliche Opferrolle aus, so dass Mellefont vor sich selbst Angst bekommt. Dass es hier weniger um ein Liebesdrama als vielmehr um Aufdeckung von Heuchelei und der Ablehnung arroganter Macht geht, wird vom Kunger-Theater schnörkellos und sehr modern herausgearbeitet.

Scheinwelt, die aus der Kiste kommt

Kennen wir also solche Menschen? Ja, aus dem Fernsehen, aus der ganzen Glitzer-Glimmerwelt, die täglich in die Esszimmer der Entrechteten einfällt und die Hintergrundmusik für ihre kärglichen HartzIV-Mahlzeiten abgibt. Vor der die Kinder staunend sitzen, die vielen Stunden ihrer zwangsweisen Ruhigstellung zuhause. Eine moderne Scheinwelt, die aus der Kiste kommt und nicht mehr auf der Straße in goldenen Kutschen flaniert.  Diese als Scheinwelt zu entlarven, haben sich die Kungerkiezler zum Ziel gesetzt und dafür bildet die feurige Maarwood die beste Identifikationsperson. Schnoddrig, immer in bester Pose, gibt sie großartig die machtvolle Verliererin. Würdevoller hätte es auf keiner der großen Bühnen gezeigt werden können. Dementsprechend ist dem Ende fast die ganze Tragik entzogen, unspektakulär trägt Mellefont die Vergiftete ab, scheint sich kaum zu wundern.

Lehre:

Es rächt sich nur an sich selbst zu denken, es könnte passieren, dass die ehemaligen Opfer sich derselben  Mittel bemächtigen und so den Spieß umdrehen, durchaus zeitgemäß und mit vielen witzigen Einfällen. Herausragend als Maarwood: Anna Röpke. Unbedingt empfehlenswert! Nicht nur im Kunger-Kiez

Nächste Aufführungen: 5.5. und 6.5.12 20 Uhr, Kungerkieztheater hier

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